0406 - Finale in der Knochengrube
Etagen, dafür nur einen Fahrstuhl, der zudem altersschwach wirkte.
Wir nahmen die Treppe. Sarah hielt Schritt mit uns. Sehr höflich wurden wir von einem dunkelhaarigen Mann empfangen, der einen unmodernen schwarzen Anzug trug. Er begleitete uns in den Frühstücksraum. Hier waren die Fenster größer, der Ausblick zum Hafen allerdings nicht besonders. Lastwagen donnerten durch die Ladestraßen.
Zum Frühstück gab es sogar schon Fisch. Ich blieb jedoch bei Brot und Konfitüre, die sehr gut schmeckte. Der Kaffee kam leider etwas zu spät, sodass ich mir nur noch den Mund damit ausspülen konnte.
Als die Verdauungszigarette brannte, hatte sich Wladimir noch immer nicht gemeldet. Das machte auch Lady Sarah nervös. »Sollten wir ihn nicht mal anrufen?«
»Würde ich gern tun«, erwiderte ich. »Wenn ich nur wüsste, wo der Bursche steckt.«
Sarah schüttelte den Kopf. »Man sollte kaum glauben, dass Wladimir für diesen Verein arbeitet. So ein sympathischer Mann.«
»Es gibt überall solche und solche. Ich habe von unseren Typen auch schon miese kennen gelernt. So wird es sich auch beim KGB verhalten, das kannst du mir glauben.«
»Ich sage ja nichts mehr.« per Raum war nur zur Hälfte besetzt. Wir fielen auf, man warf uns verstohlene, aber nicht unfreundliche Blicke zu.
Schließlich tauchte Wladimir Golenkow im Türeingang auf. Er sah uns und kam grinsend näher. »Habt ihr gut geschlafen?«
»Wir ja«, erwiderte Suko, »aber du nicht. Das sehe ich dir an.«
»Stimmt genau.« Golenkow holte sich einen Stuhl. Wir wollten ihn zum Frühstück einladen, doch er hatte bereits gegessen und winkte ab. Nur Kaffee trank er mit.
»Dann berichte mal«, forderte ich ihn auf und spitzte die Ohren.
Der Russe trank erst einen Schluck. »Es sieht nicht allzu gut aus. Das einmal vorweg.«
»Dann weißt du nicht, wo sich diese Knochengrube befindet?«
»Schon, aber in einem verdammt unwegsamen Gelände. Ich habe überall dort nachgeforscht, was irgendwie mit Mythologie zusammenhängt und einen Bezug zu Rasputin hat. Zum Glück ist bei uns viel erhalten geblieben, auch über Rasputin haben wir einiges verwahrt, und in seinem Leben gibt es einen Abschnitt, wo er weder im Kloster gewohnt noch am Hofe des Zaren gewirkt hat. Da hat er sich gewissermaßen vor den Menschen versteckt gehalten.«
»In der Knochengrube«, sagte Lady Sarah.
»Möglicherweise. So genau weiß ich das nicht. Jedenfalls ist er in den Wolgasümpfen verschwunden gewesen. Dort muss auch die geheimnisvolle Knochengrube liegen.«
»Und wie kommt man dorthin?«
Golenkow grinste. »Ihr könnt zwischen Schiff und Flugzeug wählen.«
»Ich bin fürs Flugzeug«, sagte Lady Sarah.
Dagegen hatten wir nichts. Mir lag noch eine Frage auf der Zunge.
»Hast du sonst nichts herausfinden können?«
»Nein, die Knochengrube befindet sich in den Wolgasümpfen. Wir werden die Menschen dort fragen und sicher auch Antworten erhalten.« Er lächelte. »Jedenfalls wird es eine interessante Reise, das kann ich euch versichern.«
Keiner von uns widersprach.
Selbst Sarah Goldwyn, die eigentlich immer einen Scherz auf den Lippen hatte, wenn die große Gefahr vorbei war, zitterten die Knie, als sie sich von Suko und mir aus der Maschine helfen ließ, die auf einer mit Gras bewachsenen Piste gelandet war.
Zunächst atmeten wir tief durch und sahen das Grinsen des Piloten, der seinen Kopf aus dem Fenster gesteckt hatte. Wladimir Golenkow sprach mit ihm. Wahrscheinlich bedankte er sich nicht für den Flug, der war nämlich halsbrecherisch gewesen und noch schlimmer als der erste Teil, der uns von Leningrad nach Kalinin geführt hatte. Dort waren wir dann umgestiegen und in Richtung Rybinsk geflogen, wo die Wolga einen großen Stausee speichert, wie man mir berichtet hatte.
Dort lag nicht unser Ziel. Es befand sich genau dazwischen, in den Wolgaauen, auf dem flachen Land, wo die russische Seele noch beheimatet ist und die Menschen so leben, wie es sich heute schon mancher Großstädter wieder wünscht.
In dieser Gegend also sollte die Knochengrube liegen. Vom Strom sahen wir nichts, aber wir rochen ihn. Der Wind wehte über das flache Land, er brachte den Geruch des Wassers mit. Es roch nach Holz, Laub, nach den einsamen Liedern der Wolgaschiffer und nach Teer. Über dem Land lag ein gewaltiger Himmel, wie ich ihn selten in seiner Weite gesehen habe.
Am Firmament hingen turmartige Wolkengebilde, die der Wind nach Osten schob. Es war nicht so kalt wie in Leningrad, aber
Weitere Kostenlose Bücher