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0406 - Mörder-Medium

0406 - Mörder-Medium

Titel: 0406 - Mörder-Medium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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in die Wirklichkeit gefunden, als es geschah.
    Sie konnte nichts erklären! Warum wollten das diese Geheimdienstler und auch der bohrende Tokolev nicht begreifen? Sie konnte nur eines: alles vergessen und verdrängen, um nicht immer wieder Retekin vor ihrem geistigen Auge zu sehen, dessen Genick gebrochen war…
    Und das schlimmste war, daß sie nicht wußte, wer oder was dafür verantwortlich war. Konnte es nicht sein, daß sie es doch selbst getan hatte? Sie war durchaus in der Lage, einen Menschen mit den bloßen Händen zu töten.
    Sie wußte doch nicht, ob sie schuldig war oder nicht, und sie hätte es nur zu gern selbst erfahren - aber sie mußte erst zur Ruhe kommen! Es war, als sei es gerade eben erst geschehen, in dieser Sekunde.
    Mit gesenktem Kopf schritt sie über den endlosen Korridor davon, verließ das Gebäude. Irgendwo war der kleine Bungalow, in dem sie mit einer anderen Frau zusammen wohnte.
    Sie wünschte sich, daß sie nie im Leben erfahren hätte, ein Medium zu sein.
    Aber sie hatte es sich nicht aussuchen können. Die Würfel waren in jenem Moment gefallen, in dem sie Mitarbeiterin des KGB wurde. Da unterlag sie dem Prinzip von Befehl und Gehorsam, und ein PSI-Test war angefordert worden. Sie hatte sich dem nicht entziehen können.
    Und der verfluchte Test war positiv gewesen.
    Und so war sie zum Monster gemacht worden. Zum Versuchsmonster.
    ***
    »Ich bin überzeugt, daß sie sich für eine Monstrosität hält, Genosse Major«, sagte Dr. Tokolev. »Sie hat oft genug klargestellt, daß sie ungern hier ist und daß sie mit ihrem medialen Können nicht glücklich ist. Sie sieht es als einen Fluch.«
    »Unsinn«, murrte Leonid Sewjestin. »Sie dient der Wissenschaft und damit dem Staat. Sie sollte froh darüber sein.«
    »Lassen Sie die Parolen«, wehrte der Parapsychologe ab. »Sie wissen nur zu genau, was wir alle davon zu halten haben. Es ist ein fortwährender Eingriff in ihre Persönlichkeit. Sie steht unter Befehl. Mich verblüfft immer wieder, daß sie trotzdem noch Leistungen erbringen kann, obgleich sie diesem psychischen Druck ausgesetzt ist.«
    Sewjestin senkte die Brauen. Seine Augen wurden schmal.
    Tokolev grinste kurz, aber dann wurde er wieder ernst. Er dachte an Retekin, den Anhänger der alten Zeit. Früher hätte keiner von ihnen so reden können, weder das Medium Petrowna noch er, der Versuchsleiter. Jetzt mußten die Aufpasser vom KGB schon mal ein Auge zudrücken, wenn unbequeme Worte gesagt wurden. Außerdem - die Wissenschaftler waren ohnehin eine Kaste für sich. Sobald sie annähernd unersetzlich wurden, konnten sie sich schon etwas größere Freiheiten erlauben. Parapsychologen, die gut waren, gab's nicht gerade viele…
    Und erst recht nicht in Akademgorodok.
    »Glauben Sie«, fragte Sewjestin, »daß dieser sogenannte psychische Druck, wie Sie sich auszudrücken belieben, die Schuld an dieser Katastrophe trägt?«
    »Sie meinen, daß der innere Widerwille der Petrowna dafür gesorgt hat, daß ihr Unterbewußtsein das Experiment sabotierte? Nein… dem kann ich mich so nicht anschließen. Sie fühlte sich bereits vorher unwohl. Wir sprachen darüber. Aber wir konnten das Experiment nicht verschieben. Da wir einem genauen Zeitplan unterliegen, wäre es nicht möglich gewesen, den Versuch zu einem anderen Termin nachzuholen. Und damit wäre die ganze Versuchsreihe in ihrer Abfolge… nun, nicht direkt zum Scheitern verurteilt gewesen, aber wir wären empfindlich aus dem Takt gekommen. Etwas würde später fehlen.«
    »Und nun das. Worauf führen Sie es zurück?«
    »Ich weiß es nicht. Wenn wir die Filmaufnahmen hätten, könnten wie sie vielleicht auswerten. So aber haben wir nur mündliche Aussagen der Beobachter. Ich muß mir daraus ein Bild machen, ich muß jeden einzelnen genauestens befragen. Jedes Detail kann wichtig sein…«
    »So, wie Sie die Petrowna befragt haben? Es bringt nichts, Genosse Doktor. Die Befragungen werde ich übernehmen. Sie selbst stehen ohnehin noch zu sehr unter dem Eindruck des Geschehens. Das hat sich heute gezeigt. Sie könnten voreingenommen an den Fall herangehen. Ich werde die Details feststellen, und Sie werden sie später, sobald alles vorliegt und Sie genügend Abstand gewonnen haben, analysieren und uns die Erklärungen zu diesem Vorfall liefern.«
    Tokolev verzog das Gesicht. »Meinen Sie nicht, Genosse Major, daß Ihnen die Qualifikation dafür fehlt?«
    Sewjestin lachte bellend.
    »Ich bin lange genug hier, daß ich eine Menge

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