0408 - Der Gespenster-Galgen
uneingeschränkte Herrscher ist. Was machen wir nun?«
»Wir fahren noch einmal zu dem Galgenhügel!« sagte er. »Diesmal wird der Reporter mich mit seiner Aura nicht stören können.« Zum ersten Mal konnte er Nicole jetzt berichten, was sich draußen im Gelände abgespielt hatte.
»Und jetzt, als er unter dem Fenster hockte und uns belauschte, hast du ihn nicht bemerkt?« fragte Nicole erstaunt.
»Da habe ich ja auch keine Magie benutzt, nicht das Amulett eingesetzt. Das bißchen Hypnose mache ich fast im Schlaf nebenher.«
»Na gut. Fahren wir hinaus«, sagte Nicole.
Sie klang schon gar nicht mehr so abweisend wie bisher. Die. Begegnung mit Stefanie Grausson hatte eine Wandlung in ihr vollzogen. Nachdem sie gesehen hatte, wie das Mdächen unter dem Erlebnis litt, war dieser Fall auch ihr Fall geworden…
Sie erreichten den Wagen.
Diesmal fuhr Zamorra. Während sie zum Galgenhügel hinausfuhren, sprach keiner von ihnen ein Wort.
***
Gaston Mercier war sauer. Weniger darüber, daß Grausson auf ihn geschossen hatte - das war etwas, womit er hatte rechnen müssen. Berufsrisiko. Ärgerlicher war, daß das Aufzeichnungsgerät zerstört war. Mit dem hochempfindlichen Mikrofon hatte es eine Menge Geld gekostet, und die Aufzeichnung war verloren. Weil Mercier sich darauf verlassen hatte, hatte er wiederum nicht ganz so aufmerksam zugehört, und es mochte sein, daß ihm einige Feinheiten des Gesprächs entgangen waren.
Er beobachtete Zamorra und seine Begleiterin, wie sie das Haus verließen und zu ihrem am Dorfplatz stehenden Wagen gingen. Von ihrer Unterhaltung konnte er nichts mitbekommen, und als sie dann losfuhren, ärgerte er sich noch mehr, weil sie im Wagen nicht sprachen. Wozu hatte er das teure Sendermikrofon eingebaut, wenn es sich nicht lohnte?
Wie er später wieder an das Mikro herankam, um es zu bergen, war eine Sache, um die er sich noch keine Gedanken machte. Auch nicht darum, daß sein Vorgehen eigentlich illegal war.
Er konnte jetzt nur vermuten, was Zamorra als nächstes tun würde, und er kletterte in seine marienkäferbunte Ente und fuhr hinter dem BMW her, hielt sich dabei möglichst weit zurück, um nicht sofort gesehen zu werden.
Das Coupé bog auf den Feldweg ab und rollte langsam dem Galgenhügel entgegen, der weit draußen in der Landschaft aufragte.
Aha, dachte Mercier. Die Sache entwickelte sich doch noch einigermaßen. Er parkte seinen Wagen außerhalb der Sichtweite und arbeitete sich dann in der Deckung diverser Sträucher, Büsche und Gräben zu Fuß näher an den Ort des Geschehens heran.
Er war gespannt, was Zamorra jetzt dort vorhatte.
***
Zamorra setzte wieder das Amulett ein. Er versuchte, einen Blick in die Vergangenheit zu erhaschen. Er wollte erfahren, was sich hier abgespielt hatte.
Diesmal gelang es ihm besser, sich zu konzentrieren. Der Störfaktor war nicht in seiner unmittelbaren Nähe.
Wie üblich, verschwamm der stilisierte Drudenfuß im Zentrum der Silberscheibe, dieser aus einem Strich durchgezogene Fünfzack-Stern, und machte einer nebelhaften grauen Fläche Platz, aus der sich Konturen herausschälten. Das Amulett wirkte wie ein winziger Fernsehschirm, nur daß es genau die Bilder übertrug, die Zamorra sehen wollte, und dabei in der Zeit rückwärts lief.
Aber Zamorra erkannte nur hin und her hastende Schemen. Worum es sich genau handelte, konnte er nicht erkennen. Er konnte wohl erkennen, daß sie sich an dem Holz zu schaffen machten - da der Zeitablauf rückwärts dargestellt wurde, sah es so aus, als holten sie das Holz aus dem Nichts heraus, während sie es in Wirklichkeit beiseite geschafft hatten. Aber das war auch schon alles. Selbst als Nicole spürte, daß Zamorra mit dem Ergebnis nicht zufrieden war, und sich auf ihn einstimmte, um ihren Geist mit dem seinen zu verschmelzen und die aufgewandte Para-Kraft zu verstärken, änderte sich nichts. Zamorra konnte nicht einmal erkennen, um wie viele dieser schemenhaften, flirrenden Gestalten es sich handelte. Es konnten drei, fünf oder auch sieben gewesen sein.
Plötzlich schob sich der Störfaktor wieder heran.
Zamorra löste Nicole und sich aus der Konzentration.
»Er ist wieder da«, murmelte er verdrossen.
»Wer?«
»Dieser Reporter. Er steckt irgendwo in der Nähe und beobachtet uns. Das Früchtchen werde ich mir kaufen.«
Nicole schüttelte den Kopf. »He, du bist doch sonst nicht pressefeindlich.«
»Der Knabe hat uns bei den Graussons eine ganze Menge vermurkst«, sagte Zamorra
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