0408 - Der Gespenster-Galgen
hoffte, daß jetzt allmählich etwas geschah. Wenn er Pech hatte, kam Zamorra trotz seiner Planung doch nicht. Was dann…?
Plötzlich erstarrte Mercier.
Da waren Schatten.
Er hatte nicht gesehen, woher sie gekommen waren. Plötzlich waren sie da. Er verengte die Augen, versuchte mehr zu erkennen. Im Licht der Abenddämmerung konnte er nicht genau erkennen, was das für Gestalten waren. Langsam griff er zur Kamera und hielt sie in die Richtung, in der er diese schemenhaften Gestalten sah.
Sie wurden nicht deutlicher.
Es gab auch keine Geräusche. Er hatte den Recorder zwar vorsichtshalber eingeschaltet, als er die Bewegung sah, aber außer einem leisen Rascheln von Blättern im Wind war nichts zu vernehmen. Keine Schritte, keine Laute.
Die Schemen bewegten sich ohne jedes Geräusch.
Gespenster! durchzuckte es ihn. So bewegen sich Gespenster!
Aber so etwas gab’s nicht. Es mußte eine natürliche Erklärung geben für alles, was hier geschehen war, vom Galgen über das verschwindende Holz bis zu den Schemen.
Warum zum Teufel sah er sie nicht deutlicher? Er konnte doch die Bäume und Sträucher noch erkennén! Obgleich es immer dunkler wurde, waren sie feste, klar erkennbare Bestandteile der Landschaft. Außerdem reichte das helle Mondlicht aus, alles zu erkennen, was sich vor Mercier bewegte.
Die Schemen kamen auf ihn zu.
***
Ganz so ungestört, wie sie gehofft hatten, waren Zamorra und Nicole am Ufer des kleinen Nebenflüßchens nicht geblieben. Aber der Bauer, der sein Feld kontrollierte, erwies sich als freundlich, gesprächsbereit und erklärte ihnen eine Abkürzung zu dem besagten Hügel. Von dem, was sich dort abgespielt haben sollte, wußte er nichts, weil er die betreffende Zeitung nicht las, und Zamorra machte ihn auch erst gar nicht darauf aufmerksam. Er erkundigte sich nur einfach so nach dem Gelände. Und so erfuhr er, daß es von hier aus gar nicht weit war. Sie brauchten nicht mehrere Kilometer Umweg zu fahren, um an die Hauptstraße zu gelangen.
Als die Sonne unterging, stiegen sie wieder in den Wagen. Zamorra fuhr den Weg, den der Bauer ihm erklärt hatte.
Seine Annahme, für diese holperigen Wege sei der BMW besser geeignet als der schaukelnde 2 CV, erwies sich als falsch. Die straffe Federung des Sportwagens versetzte seinen Insassen bei jedem Schlagloch harte Stöße.
Kaum dachte Zamorra an den weich schaukelnden ›Marienkäfer‹, als er den Wagen sah. Er trat auf die Bremse.
»Der Bursche ist wahrhaftig immer noch in der Gegend«, stieß er überrascht hervor. Der Wagen war unverwechselbar. Daß es hier einen zweiten ›Marienkäfer‹ geben sollte, war so gut wie unmöglich.
Zamorra stieg aus und näherte sich dem Wagen. Der 2 CV war leer — und nicht verschlossen. Zamorra öffnete die Tür und warf einen Blick ins Innere. Nichts Auffälliges. Doch — da lag auf dem Beifahrersitz ein kleiner knopfartiger Gegenstand.
Den sah Zamorra sich näher an.
Im gleichen Moment, als er danach greifen wollte, hörte er ein Geräusch. Es kam aus diesem kleinen Knopf. Jemand hatte geniest.
»Na, ich hab’ mich doch wohl nicht erkältet…?« hörte er Nicole im Selbstgespräch sagen.
Ein kleiner Empfänger!
Jetzt sah Zamorra auch den dünnen Draht, der zu einer Batterie führte, die man mit einer kleinen Klammer überall an der Kleidung unauffällig befestigen konnte. Der Draht diente anscheinend gleichzeitig als Antenne für den Empfang, und der Knopf ließ sich unauffällig im Ohr tragen.
Der Besitzer hatte die Technik jetzt abgelegt…
»Na, den soll doch der Blitz treffen«, murmelte Zamorra. »Hört der Knabe uns einfach ab… das scheint seine Spezialität zu sein.«
Er nahm den Empfänger an sich und kehrte zum BMW zhurück. So konnte er den winzigen Sender unter dem Beifahrersitz leicht anpeilen. Er löste ihn unter Nicoles erstaunten Blicken, und während er den Sender am kleinen Kühlergrill des 2 CV befestigte, erklärte er ihr, was er vermutete.
»Unser Freund wird sich wundern, wenn er das Teil demnächst wieder in Betrieb nimmt«, grinste er. »Sobald er den Motor startet, wird ihn das Gejaule den letzten Nerv kosten. Wetten, daß er tagelang nicht drauf kommt, welchen Streich ich ihm gespielt habe?«
»Schon möglich.« Nicole zuckte mit den Schultern. Sie nieste erneut. »Was tun wir jetzt?«
»Wir müssen damit rechnen, daß Mercier am Galgenhügel auf uns lauert«, sagte Zamorra. »Er scheint die Geduld nicht aufgegeben zu haben. Am besten wäre es, wenn wir
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