0408 - Der Gespenster-Galgen
Sie, Monsieur, so einfach geht das nicht. Ich kann doch nicht…«
»Bitte«, sagte Mercier. »Es ist wichtig. Es geht um den Mordfall Belcaines. Ich brauche Monsieur Zamorra noch einmal dringend. Tut mir selbst leid, daß ich ihn noch einmal aus dem Schlaf reißen muß. Aber er ist der einzige Experte, der uns sofort helfen kann. Verstehen Sie, es geht um Leben und Tod.«
Der Nachtportier seufzte. Das klang alles so amtlich. Mordfall Belcaines… Plötzlich glaubte er davon gelesen zu haben. Da war doch so ein rätselhafter Fall, über den ein kurzer Artikel in der Zeitung gestanden hatte…
»Sie sind von der Polizei?«
»Muß ich mich ausweisen? Bitte, machen Sie schon. Wecken Sie Zamorra. Ich brauche ihn nur für ein paar Minuten, aber es ist wirklich wichtig, sonst wäre ich doch nicht noch einmal extra hierher gekommen.«
»Nun gut. Vielleicht schläft er ja noch nicht einmal.«
Der Nachtportier griff zum Telefon, dann fiel ihm ein, daß das Zimmer, in dem der Professor und seine Begleiterin untergekommen waren, kein Zimmertelefon besaß. Er mußte sich also selbst nach oben bewegen.
»Ich warte draußen am Wagen«, sagte Mercier.
»Gut.« Der Nachtportier ging zur Treppe, während der Reporter wieder in die Nacht hinaus trat.
***
Georges Caulette schreckte auf. Ihm waren die Augen zugefallen. Ein Sekundenschlaf nur, mehr nicht. Rasch vergewisserte er sich mit einem Rundblick, daß nach wie vor alles rundum in Ordnung war. Dann stieg er aus dem Wagen. Vielleicht war es besser, wenn er sich etwas bewegte. Dann schlief er nicht so schnell ein.
Er warf einen Blick zum Galgen hinüber. Unheimlich, die leere Schlinge, die im Wind pendelte… Caulette sah auf die Uhr. Wenn es doch endlich hell würde. Die Zeit wollte nicht vergehen.
Er wandte sich um.
In diesem Moment war etwas neben ihm und schlug zu. Mit einem dumpfen Laut brach Caulette zusammen, ohne zu wissen, wer ihn angegriffen hatte und womit. Und vor allem, woher der lautlose Angreifer gekommen war…
***
Trotz seiner Müdigkeit konnte Zamorra nicht richtig einschlafen. Während Nicole sich schon hingelegt hatte, saß er noch an dem kleinen Tisch und grübelte. Etwas war an der ganzen Sache faul. Nichts paßte zusammen.
Er hatte sich gerade entschlossen, sich nun ebenfalls hinzulegen, als es leise an der Tür klopfte.
Nicole blinzelte schläfrig.
Zamorra sah auf die Uhr. Wer zum Teufel wollte jetzt um diese Nachtzeit etwas von ihm?
Er ging zur Tür. »Wer ist da?«
»Monsieur Professor, draußen wartet ein Monsieur Caulette auf Sie. Kennen Sie ihn?«
»Caulette?« Zamorra öffnete die Zimmertür einen schmalen Spaltweit. »Natürlich. Was will er?«
»Er sagte, es habe sich etwas Neues im Mordfall Belcaines ergeben. Er braucht dringend Ihre Hilfe. Ganz kurz nur, aber es sei sehr wichtig, und Sie möchten sofort nach unten kommen. Gut, daß Sie noch wach waren…«
»Können Sie ihm nicht sagen, daß ich schon schlafe?« brummte Zamorra unwillig. Aber dann zuckte er mit den Schultern. »Mal sehen, was er will. Ganz kurz nur, sagten Sie?«
»Sagte er, Monsieur.«
»Gut. Ich komme gleich.« Zamorra schob die Tür wieder zu und ging ans Bett, wo Nicole sich halb aufgerichtet hatte.
»Ich habe mitgehört«, sagte sie und gähnte ausgiebig. »Soll ich mitkommen?«
»Ich glaube, das schaffe ich schon allein.« Er gähnte ebenfalls. »Wenn Caulette eine größere Aktion vorhat, wird er auf mich verzichten müssen. Bin gleich wieder da.«
»In Ordnung.« Sie ließ sich aufs Kissen zurückfallen, während Zamorra das Zimmer verließ. Augenblicke später war sie eingeschlafen.
Zamorra schritt derweil die Treppe hinunter. Im kleinen Foyer sah er sich um. »Wo ist Caulette?«
»Er sagte, daß er draußen am Wagen wartet«, sagte der Nachtportier.
Zamorra nickte und ging hinaus. Aber von dem Kriminalbeamten war nichts zu sehen. Dafür lehnte ein anderer Mann an Nicoles BMW, mit dem Rücken zum Hotel. Der Reporter.
Zamorra faßte ihn am Kragen seiner Sommerjacke. »Was zum Teufel soll das heißen?« fauchte er. »Sind Sie übergeschnappt? Was fällt Ihnen ein, mich hier herauszulocken? Woher kennen Sie den Namen Caulette? Woher wissen Sie, daß wir hier abgestiegen sind?«
»Beruhigen Sie sich«, wehrte Mercier ab. »Es war ein Trick, tut mir leid. Aber anders hätte ich Sie doch nicht aus dem Zimmer gekriegt.«
»Sie haben meine Fragen nicht beantwortet.«
»Sie unterschätzen meine Möglichkeiten und meine Reporterneugierde«, sagte
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