0408 - Der Gespenster-Galgen
nicht besonders erfreut, zu nächtlicher Stunde herausgerufen worden zu sein, noch dazu an einen Ort, den sie schon einmal erfolglos in Augenschein genommen hatten. »Wir hätten das Gelände auch noch am Vormittag kontrollieren können«, murrte einer der Männer von der Spurensicherungsabteilung. »So ein Blödsinn, uns jetzt aus dem Bett zu holen…«
»In ein paar Stunden wird es hell. Der Morgentau läßt das Gras sich wieder aufrichten«, wandte Caulette ein. »Glauben Sie im Ernst, daß Sie dann mehr erkennen würden?«
»Jedenfalls mehr als hier im Schein der Taschenlampen«, fauchte der Spurenexperte.
Maurice Belcaines Leichnam wurde in einem Zinksarg abtransportiert. Dafür, daß er bereits seit zwei Tagen tot war, sah er überraschend frisch aus, fand Caulette. Er bedauerte, daß der Galgen bei Nacht nicht abtransportiert werden konnte, um ihn sicherzustellen. Aber es war niemandem zuzumuten, jetzt auch noch mit einem Kleintransporter herauszukommen. Das hatte Zeit bis zum Vormittag. Vorsichtshalber wollte Caulette im Gelände bleiben und aufpassen, bis er später einen Beamten der regulären Schicht herbeibeordern konnte, um ihn abzulösen. Der Galgen durfte jedenfalls nicht wieder verschwinden. Jemand mußte darauf achtgeben.
Die Spurensucher registrierten, was sie vorfanden. Fährten im Gras, hier und da Abdrücke von Schuhsohlen. Aber es sah lediglich danach aus, daß sich hier Zamorra, seine Begleiterin, der Reporter und Georges Caulette aufgehalten hatten. Unmittelbar am Galgen gab es nicht eine einzige Fremdspur im Gras, obgleich jemand das vertrackte Ding hierher gestellt und den Leichnam herangetragen haben mußte. Doch nichts deutete darauf hin.
Caulette stand vor einem Rätsel.
»Die Burschen können doch nicht durch die Luft geschwebt sein«, grübelte er. Selbst wenn er diese Vermutung ernst nahm und daran dachte, daß der Leichnam wie der Galgen von einem Hubschrauber aus abgesenkt worden war, hätte die Leiche dann anders gelegen, und der Galgen wäre nicht so fest im Boden verankert gewesen.
Dieser Zamorra war Parapsychologe. Hatte das nicht auch was mit Okkultismus und übersinnlichen Erscheinungen zu tun? Vielleicht war an der Sache doch etwas dran. Es konnte ratsam sein, auch gegen den erklärten Willen des Kommissars mit dem Professor zusammenzuarbeiten. Vielleicht hatte der eine Idee, die er auch logisch erklären konnte. Man sagte ja, daß mit Psi eine ganze Menge unmöglicher Dinge möglich gemacht werden könnten…
Caulette sah den anderen nach, wie sie davonfuhren, allen voran der Wagen mit der Leiche, die unbedingt obduziert werden mußte. Caulette, der jetzt doch mit einem Dienstwagen wieder herausgekommen war, setzte sich auf den Fahrersitz, ließ die Tür offen und wartete ab. Die drei, vier Stunden, bis er es einem anderen Beamten zumuten konnte, ihn abzulösen, würde er schon noch irgendwie herumkriegen. Zwischenzeitlich hatte er genug Muße zum Nachdenken.
Der Galgen wirkte unheimlich und bedrohlich. Unwillkürlich prüfte Caulette seine Dienstwaffe. Er war entschlossen, von der Pistole Gebrauch zu machen, falls jemand versuchen sollte, auf irgend eine Weise den Galgen vor dem Morgengrauen wieder verschwinden zu lassen.
Mehrmals schreckte er auf, weil er Schritte zu hören glaubte. Doch jedesmal raschelten nur Blätter und Zweige im Wind.
Caulette wartete…
***
Die Schatten korrespondierten miteinander. Dabei spielte es keine Rolle, ob einer von ihnen sehr weit entfernt war oder nicht. Für ihre Art, sich untereinander zu verständigen, gab es keine wirklich unüberbrückbaren Distanzen.
Jener, der sich um Mercier kümmerte, erhielt jetzt den Auftrag, den Reporter aktiv werden zu lassen…
***
Gaston Mercier wußte jetzt, was er zu tun hatte. Er stieg aus. Der Schatten an seiner Seite glitt durch die Tür hindurch, als sei sie überhaupt nicht existent. Mercier betrat das Hotel. Der Nachtportier sah ihn etwas verschlafen an.
»Mein Name ist Caulette«, sagte Mercier. Tief in seinem Unterbewußtsein fragte eine Stimme, weshalb er diesen Namen gewählt hatte. Er hieß doch Gaston Mercier, nicht Caulette!
»Was kann ich für Sie tun, Monsieur Caulette?« erkundigte sich der Nachtportier. »Suchen Sie auch ein Zimmer?«
»O nein, pardon«, sagte Mercier. »Ich suche den Mann, der vor etwa einer Stunde hier ein Zimmer bezogen hat. Können Sie ihn bitte wecken und ihm mitteilen, daß er schnell kommen soll? Es hat sich etwas Wichtiges ereignet.«
»Hören
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