0408 - Der Gespenster-Galgen
jetzt in ihrer Gewalt.
Und das diesmal fast ohne Risiko. Denn die Arbeit machten sie jetzt nicht mehr selbst, sondern der Reporter-Sklave.
Es wurde Zeit, daß er eintraf, damit das Werk vollendet werden konnte.
Das Werk der Rache…
***
Nicole Duval erwachte aus einem unruhigen Schlaf. Sie hatte schlecht geträumt. In diesem Traumbild hatte sie Zamorra in der Galgenschlinge hängen gesehen, und plötzlich verwandelte sich der Galgen und nahm Gesicht und Gestalt des Fürsten der Finsternis an. Leonardo deMontagne lachte höhnisch, und dann zerfiel sein Gesicht und wurde zu einem grinsenden Totenschädel.
Nicole brauchte ein paar Sekunden, um zu begreifen, daß es ein Traum gewesen war, daß sie sich nicht auf jenem Friedhof befand, auf dem sie den Galgen, den ermordeten Zamorra und den Höllenfürsten gesehen hatte, sondern daß sie in einem Bett lag, und dann wurde ihr klar, daß es ein Hotelbett war.
Sie lag allein darin. Zamorra war nicht bei ihr.
Sie schaltete das Nachtlicht ein. Ein Blick zur Uhr. Fast vier… in etwa einer Stunde würde allmählich die Morgendämmerung einsetzen. Wo steckte Zamorra? Nachtspaziergänge machte er doch in der Stadt bestimmt nicht.
Sie entsann sich, daß jemand Zamorra aus dem Zimmer gebeten hatte. Caulette hatte unten an der Straße gewartet… und Zamorra hatte gesagt, es würde nicht lange dauern. Er würde sich auf keine längere Aktion einlassen.
Aber Nicole war überzeugt davon, daß das nicht der Fall war. Sie hatte zwar vorhin, schläfrig wie sie war, nicht auf die Uhr gesehen, aber sie war sicher, daß sie wenigstens eine halbe Stunde geschlafen hatte.
Vielleicht länger…
Und dann dieser seltsame Traum…
Sie glitt aus dem Bett und trat ans Fenster, das nach vorn, zur Straße hin, lag. Unten war alles ruhig. Der BMW stand nicht vor dem Haus. Also war Zamorra mit dem Wagen weg.
Ohne ihr etwas davon zu sagen… und das sah nicht gerade nach einer kurzen Angelegenheit aus! Hier war etwas geschehen, das förmlich nach Ärger roch.
Wohin war Zamorra mit Caulette gefahren? Wieder zum Galgenhügel? Das konnte sie sich eigentlich nicht vorstellen. Zur Polizeiwache?
Hastig zog sie sich wieder an und verließ das Zimmer. Der Nachtportier schreckte auf, als sie leise wie ein Gespenst an die Rezeption trat. »Ich muß telefonieren«, sagte sie.
»Bitte… Sie können den Apparat hier benutzen. Ist ja seltsam, was die Polizei so unter kurz versteht, nicht wahr? Schon über eine halbe Stunde…«
Nicole nickte. Der Nachtportier wäre ihr unter anderen Umständen zu gesprächig gewesen, aber diesmal war das für sie die Bestätigung ihres eigenen Zeitgefühls. »Hat er gesagt, wohin sie fahren wollten?«
»Ich weiß es nicht«, gestand der Portier.
Nicole benötigte ein Telefonbuch. Dann rief sie bei der Polizei an. Sie wollte erfahren, ob Caulette und Zamorra dort zu finden waren oder ob Caulette hinterlassen hatte, wohin er unterwegs war. Sie hoffte, damit die innere Unruhe besänftigen zu können, die seit dem Erwachen aus ihrem Alptraum in ihr arbeitete.
Aber dort konnte man ihr nur sagen, daß Georges Caulette noch immer drüben bei Le Donjon am mutmaßlichen Galgen-Tatort sei. Er wäre nicht mit den anderen Beamten zurückgekehrt, wurde ihr erklärt.
»Sind Sie sicher, daß er noch dort ist?«
»Natürlich. Warum fragen Sie?«
»Weil er hier auftauchte und meinen Chef aus dem Hotel bitten ließ. Das war vor etwa einer halben Stunde.« Sie nannte den Namen des Hotels.
»Das kann nicht sein, Mademoiselle Duval. Caulette hat eindeutig erklärt, daß er draußen bleiben wolle. Mehr können wir Ihnen auch nicht sagen.«
Langsam legte Nicole den Hörer wieder auf die Gabel.
Etwas stimmte nicht. Wenn Caulette am Galgenhügel geblieben war, konnte er nicht hier mit Zamorra gesprochen haben. Oder…
»Sie haben sich gestritten«, sagte der Nachtportier unvermittelt.
»Bitte, was?« Nicole sah ihn irritiert an. »Was meinten Sie?«
»Sie haben sich gestritten, Monsieur Zamorra und der Polizist. Monsieur Zamorra zerrte an der Jacke des anderen und redete heftig auf ihn ein. Aber dann müssen sie sich wohl geeinigt haben, denn sie sind in den Wagen gestiegen und davongefahren. Ein ziemlich schöner und teurer Wagen, nicht wahr? Ist ein deutsches Fabrikat, oder…?«
Nicole nickte geistesabwesend. Gestritten? Aber weshalb? »Können Sie mir diesen Monsieur Caulette beschreiben? Wie sah er aus?«
»Na, dunkles Haar, grauer Blouson, Jeans, Turnschuhe…«
Nicole
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