041 - Die Tür mit den 7 Schlössern
setzten sie ihre Unterhaltung fort. Einsamkeit und Finsternis waren um sie her. Zuweilen tauchte ein Blinkfeuer auf, das seine silbernen Strahlen warnend durch die Nacht sandte.
»Werden Sie Ihre Reise fortsetzen?« fragte sie ihn.
»Nein, ich bleibe in London. Ich sehne mich förmlich danach. Ich habe in Clargate Gardens eine kleine gemütliche Wohnung. Man kann zwar, wenn man in der Mitte steht und die Arme ausstreckt, die Wände zu beiden Seiten berühren, aber meinen Ansprüchen genügt sie.«
»Da müßten Sie erst unsere Wohnung in der Coram Street sehen!«
»Welche Nummer?« fragte Dick rasch.
»Eine unter vielen«, lächelte sie. »Aber ich muß jetzt hinuntergehen. Es ist spät geworden. Gute Nacht, Mr. Martin!«
Er geleitete sie nicht zur Kajütentreppe, aber er blickte ihr nach, bis sie im Dunkel verschwunden war.
Was mochte sie nach Madeira geführt haben? Sicher gehörte sie nicht zu den Glücklichen, die jedes Jahr den Londoner Nebel mit der Sonne des Südens vertauschen.
Sie kam ihm viel hübscher vor, als sie in seinen Vorstellungen gelebt hatte. Sie war von einer bleichen, fast orientalischen Schönheit. Es war wohl die Schrägstellung ihrer grauen Augen, die an den Osten denken ließ. Sie war schlank, aber nicht mager, sondern von jener geschmeidigen Fülle, die jeder Linie ihren Reiz gibt.
Am nächsten Morgen, nach der Landung, wußte es Dick so einzurichten, daß er mit ihr im gleichen Abteil nach London fuhr.
»Freuen Sie sich auf London?« fragte er sie.
Sie unterdrückte einen Seufzer.
»Ich freue mich darauf, daß ich wieder in meiner Muttersprache reden darf. Es war nicht immer leicht, sich auf Portugiesisch zu verständigen!«
Er zog erstaunt die Brauen in die Höhe.
»Aber es wird doch in allen Hotels Englisch gesprochen?«
»Das wohl, aber ich habe in keinem Hotel gewohnt, sondern in einer kleinen Pension in den Bergen, wo man nur Portugiesisch verstand. Aber auch sonst scheint meine Reise zwecklos gewesen zu sein!«
»Nun«, sagte er, »da können wir uns die Hand reichen. Es geht mir genauso.«
Sie lächelte.
»Aber ich komme nicht mit ganz leeren Händen zurück.« Sie nahm eine kleine Schachtel aus ihrer Handtasche heraus, schob den Deckel beiseite und hielt sie ihm geöffnet hin.
Er erblickte einen flachen Schlüssel von seltsamer, bisher nie gesehener Form, der an beiden Seiten gezahnt war.
»Was für ein merkwürdiger Schlüssel!« sagte er. »Und deswegen sind Sie nach Madeira gereist?«
Sie nickte.
»Aber ich hatte mir das Ergebnis meiner Reise natürlich ganz anders vorgestellt. Es ist eine seltsame Geschichte, die auch wieder mit Lord Selford zusammenhängt. Wie sieht übrigens mein Vetter aus?«
»Wie der Kaiser von China. Das heißt, ich kenne sie beide nicht. Ich habe Ihren Vetter nie zu Gesicht bekommen!«
Sie stellte rasch eine Frage nach seinen Erlebnissen, die er beantworten mußte. Dann erst erzählte sie ihm ihre Geschichte.
»Mein Vater hatte früher einmal einen portugiesischen Gärtner namens Silva in Dienst, den er später an Lord Selford empfahl. Nach dem Tode des alten Lords siedelte dieser Silva nach Madeira über. Es mag drei Monate her sein, da erhielt meine Mutter einen Brief von einem Priester, der uns mitteilte, daß Silva auf Madeira gestorben sei. Noch in der Todesstunde habe ihn das Unrecht gequält, das er uns angetan habe. Mit der flehentlichen Bitte um Vergebung seiner Sünden habe er seine Hinterlassenschaft dem Priester anvertraut und sein Versprechen verlangt, sie nur einem Mitglied unserer Familie persönlich auszuhändigen. Weder meine Mutter noch ich konnten daran denken, nach Madeira zu reisen. Dazu fehlten uns die Mittel. Aber mit der nächsten Post traf ein zweiter Brief ein, der in London aufgegeben worden war. Er enthielt hundert Pfund in Banknoten und eine Schiffskarte nach Madeira.«
»Wer war der Absender?« fragte Dick schnell.
»Er war nicht genannt. Aber ich entschloß mich zur Reise. Der alte Priester war sehr froh über mein Kommen. Es war im letzten Monat dreimal in seinem Hause eingebrochen worden, und er brachte die Einbrüche mit dem kleinen Paket in Verbindung, das er von dem Toten übernommen hatte. Natürlich erwartete ich irgend etwas Kostbares, das so viel Mühe lohnte, zumal Silva bei seinen Nachbarn als sehr reicher Mann gegolten hatte. Ich fand aber nur diesen Schlüssel. Meine Enttäuschung können Sie sich vorstellen.«
Dick drehte den Schlüssel nachdenklich hin und her.
»Silva war
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