041 - Die Tür mit den 7 Schlössern
halten Sie sich vor Augen, daß es kein verbrecherisches Ansinnen war. Den Kerl trieb Wißbegierde, etwas ganz Bestimmtes zu öffnen. Nun, er wird sich weiter den Kopf zerbrechen müssen; denn die Schlösser knackt niemand auf!«
»Schlösser? Was für Schlösser?« fragte Dick voller Spannung.
Aber Pheeney schüttelte den Kopf und schweifte ab. Er sprach von seinen Zukunftsplänen; auch er wolle ›den Dienst quittieren‹. Sein Bruder sei Architekt jenseits des großen Teiches, er wolle sich dort auf ehrliche Weise hocharbeiten.
Dick verabschiedete sich von ihm und begab sich nach Scotland Yard, um seinem unmittelbaren Vorgesetzten zum letztenmal Bericht zu erstatten.
Inspektor Sneed, der mit der Fülle seines Leibes den Ledersessel bis zum Bersten füllte, hob die Augen vorwurfsvoll zu ihm auf.
»Es ist also wahr! Sie kehren dem besten aller Berufe den Rücken, werden sich ein Landhaus kaufen und in Glück schwimmen, wenn Sie eine Herzogin zu Tisch führen dürfen! Was für ein Höllendasein für einen ausgewachsenen Menschen!«
Dick Martin grinste zu ihm hinüber. Im geheimen bereute er längst sein Abschiedsgesuch.
»Merkwürdig, wie der Besitz des Geldes den Charakter verdirbt!« fuhr Captain Sneed melancholisch fort. »Wenn ich zum Beispiel eine Erbschaft mit sechs Nullen gemacht hätte, würde ich einfach ins Nichts hineindösen!«
»Das tun Sie auch ohne Erbschaft. Ihre Trägheit ist ja sprichwörtlich«, sagte Dick unehrerbietig.
»Insurbordination!« murmelte Sneed. »Noch gehören Sie zum Stab. Nennen Sie mich ›Sir‹ und seien Sie etwas respektvoller, wenn ich bitten darf! Ich bin nicht träge; ich bin lethargisch, und Lethargie ist genausogut eine Krankheit wie Fettleibigkeit!«
»Sie sind fett, weil sie faul sind, und faul, weil Sie fett sind«, beharrte Martin mit dem Hochmut der Jugend; denn er war sehnig und schlank wie eine Weidengerte.
Captain Sneed strich sich nachdenklich das Kinn. Er hatte die Schultern eines Boxers, den Wuchs eines Grenadiers und den Tätigkeitsdrang einer Anakonda unmittelbar nach der Fütterung. Er seufzte schwer, wühlte in einem Briefkorb und brachte ein blaues Papier zum Vorschein.
»Triumphieren Sie nicht zu früh, noch sind Sie mein Sklave. Gehen Sie also zur Bellingham-Bibliothek und klären Sie diese Anzeige auf! Es sollen dort Bücher entwendet worden sein.«
Unterinspektor Martin stöhnte laut.
»Ich gebe zu, es sind keine Lorbeeren dabei zu verdienen«, sagte sein Vorgesetzter mit breitem, schadenfrohem Lächeln.
»Kleptomanie ist für den Detektiv, was für eine Hausfrau das Staubwischen ist. Aber es wird Ihr Mütchen kühlen und Sie, wenn Sie sich dem Schlendrian hingeben, daran erinnern, daß Tausende Ihrer unglücklichen Kollegen sich mit Untersuchungen dieser Art die Beine aus dem Leib rennen!«
Dick - auch ›Slick‹ gerufen, denn er hatte wie jeder Detektiv einen Spitznamen - ging gesenkten Blickes an den geschlossenen Türen des endlosen Korridors vorbei und dachte daran, daß seine kurze, aber glänzende Laufbahn im Polizeidienst so gut wie beendet war. Er war Spezialist für Diebstähle gewesen, der geschickteste ›Schlangengreifer‹, den Scotland Yard je besessen hatte. Sneed sagte oft von ihm, daß er selbst die Anlage zum Dieb haben müsse, und hielt das für ein Kompliment. Tatsächlich hatte Dick einmal auf Grund einer Wette die Tasche eines Staatssekretärs geleert, und selbst die erfahrensten Beobachter konnten nicht angeben, wann und wie er die Tat ausgeführt hatte.
Dick Martin kam aus Kanada, wo sein Vater Gefängnisdirektor gewesen war. Er hatte sich nicht sonderlich um seinen Sohn gekümmert, nämlich ebensowenig wie um seine Gefangenen. Dick betrachtete damals das ganze Gefängnis als seinen Spielplatz, und längst, bevor er die ersten Regeln der Algebra meisterte, konnte er jede Krawattennadel unbemerkt entfernen. Peter du Bois, ein Lebenslänglicher, lehrte ihn die Kunst, fast jede Tür mit einer gebogenen Haarnadel zu öffnen. Lew Andrewski, ein häufiger Gast auf Fort Smart, zerschnitt die Deckel von Gebetbüchern zu einem winzigen Kartenspiel und führte den Jungen in die Anfangsgründe des Falschspiels ein. Bald konnte er in jeder Hand drei Karten verbergen. Wäre er nicht von jener echten Ehrlichkeit gewesen, der keine schlechte Lehre schadet, so hätte es schlimm geendet.
»Dick hat das Herz auf dem rechten Fleck; laßt ihn nur ruhig das Diebeshandwerk lernen«, sagte der träge Colonel Martin, wenn seine
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