0411 - Der Herold des Satans
zog andere Kleidung an, steckte auch die Waffen ein und ging nach unten. Auf halbem Weg drang bereits Kaffeeduft in meine Nase, und vor dem Frühstücksraum erwartete mich die Pensionswirtin.
Sie war eine nette Frau, ziemlich rundlich. Sie hatte eine weiße Schürze umgebunden und das grau-schwarze Haar hinten zu einem Knoten gebunden.
»Ich bin Madame Dijon!« erklärte sie mir. »Herzlich willkommen bei uns.«
»Danke sehr, Madame.« Ich reichte ihr die Hand und stellte mich ebenfalls vor. Weder sie noch ich verloren ein Wort über die vergangene Nacht. Wenn die Frau etwas bemerkt haben sollte, behielt sie es für sich.
»Trinken Sie Kaffee, Monsieur Sinclair?«
»Ja, bitte.«
»Bon, ich bringe Ihnen eine Kanne. Gehen Sie schon vor.«
Ich trat über die Schwelle. Der Raum fasste vier Tische. Durch die Fenster konnte ich auf den Marktplatz schauen, wo reger Betrieb herrschte. Händler hatten ihre Stände aufgebaut, es wurde tatsächlich ein Markt abgehalten. Das Leben lief normal weiter, als wäre nichts geschehen. Für Dezember war es einfach zu warm. Eine bleiche, fahl wirkende Sonne stand am Himmel. Ihr Licht fiel auf den großen Platz und übergoss den Brunnen mit einem unnatürlichen Glanz.
Gerald Gress hatte sich einen Tisch am Fenster ausgesucht. Der Reporter winkte mir zu. »Ein herrlicher Tag, nicht wahr? Als wenn nichts gewesen wäre.«
»Das kannst du wohl sagen.« Ich zog meinen Stuhl heran und nahm Platz. Auf dem Tisch standen frische Croissants, Butter, Konfitüre und Käse. Die Wirtin kam mit dem Kaffee.
»So, Monsieur, ich hoffe, es wird Ihnen munden.«
»Das glaube ich schon. Sie haben sich sehr viel Mühe gegeben, Madame.«
»Oh, vielen Dank.«
Ich schenkte mir Kaffee ein. Er war heiß und fast schwarz. Der würde wirken wie ein Herzschrittmacher.
Als ich ein Croissant aufgeschnitten hatte und Konfitüre nahm, konnte es mein Gegenüber nicht mehr länger aushalten. »Sag schon, John, was ist in der vergangenen Nacht geschehen?«
Zuerst aß und trank ich. Nach dem ersten Bissen begann ich mit meinem Bericht.
Staunend hörte Gress zu. Er hatte nicht nur die Augen weit geöffnet, sondern auch den Mund aufgeklappt, denn für ihn war es fast unbegreiflich, das alles zu erfassen.
»Und du saugst dir da nichts aus den Fingern?« fragte er.
Ich schüttelte den Kopf, weil ich den Mund voll hatte.
Gress zündete sich eine Zigarette an. Die brauchte er wohl auf den ersten Schreck. »Das ist ja kaum zu fassen!« flüsterte er. »Also, ich komme da nicht mit, ehrlich. An so etwas hätte ich nie im Leben gedacht. Bluthunde – wer hat die schon?«
»Ja, wer hat sie? Weißt du es?«
»Nein.«
»Wir könnten die Wirtin fragen.«
»Wäre am besten.« Er paffte drei hastige Züge. »Und wer war die Gestalt auf dem Pferd?«
»Keine Ahnung. Ich weiß nicht mal, ob ich es mit einem Mann oder einer Frau zu tun gehabt habe. Die Person war wie ein Schatten. Sie kam ebenso schnell, wie sie verschwand. Tut mir Leid.«
Der Reporter nickte und dachte nach. »Wenn ich mir das alles so richtig überlege, haben wir es wahrscheinlich mit einer regelrechten Verschwörung zu tun. Oder was meinst du?«
»Kann sein. Nur von wem wurde sie angezettelt?«
Gress ließ mich erst einen Kaffee trinken, bevor er die Antwort gab. Dabei strich er mit dem Zeigefinger über die Tischdecke. »Das ist alles viel zu vage. Außerdem kenne ich mich hier nicht aus.«
»Wir fragen die Wirtin.« Sie kam soeben herein und erkundigte sich, ob wir noch einen Wunsch hätten.
»Oui, Madame«, sagte ich, »den haben wir tatsächlich. Und zwar möchten wir eine Antwort von Ihnen haben.«
»Ja, bitte?« Sie ging einen halben Schritt zurück. Ihr Lächeln wirkte verklemmt.
»Kennen Sie jemanden, der sich auf Menschen abgerichtete Bluthunde hält, Madame?«
Sie erschrak. Um Zeit zu gewinnen, wiederholte sie den letzten Teil der Frage. »Ja, Monsieur«, sagte sie dann. »Die Familie Medoque hält sich Hunde, die ihr Schloss bewachen.«
»Und die laufen frei herum?«
»Im Schlossgarten schon.«
»Waren Sie mal dort?«
»Non, Monsieur«, erklärte sie fast entrüstet. »Ich doch nicht. Kaum einer aus dem Dorf darf die hohen Herrschaften besuchen. Die würden sich mit uns auch gar nicht abgeben.«
Ich musste lächeln. Die Frau vermittelte mir ein Bild aus dem letzten Jahrhundert, so obrigkeitshörig war sie.
»Dann wissen Sie auch nicht, ob die Medoques gern reiten?« fragte ich weiter.
»Da habe ich keine Ahnung.«
»Auch
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