0412 - Doppelmörder für drei Stunden
gewusst hatte, wird sie ihre Worte so klug gewählt haben, um jeden Verdacht von vornherein auszuschalten. Ich ging an die Bartheke zurück und bestellte einen doppelstöckigen Manhattan-Cocktail, um mich zu stärken. Das blonde Girl, das vorhin dem Dicken Gesellschaft geleistet hatte, versuchte mich auf andere Gedanken zu bringen. Aber ich nickte nur hin und wieder geistesabwesend.
Ich brauchte Jennifers Adresse, und zwar dringend. Bei der Einwohnermeldebehörde würde ich kaum Glück haben, denn ich wusste Jennifers Nachnamen nicht. Deshalb musste ich es hier im Club versuchen. Ein Girl zu fragen, erschien mir sinnlos Der Portier würde der Einzige sein, der sich (gegen gutes Geld) erinnern würde. Nachdem ich gezahlt hatte, verließ ich die Bar. Im Foyer wartete ich einige Augenblicke vor dem mannshohen Spiegel. Wie gerufen, erschien der dunkelhäutige Portier auf der Bildfläche.
»Hat es Ihnen bei uns gefallen, Mr. Helborn?«, fragte er dienstbeflissen.
»Danke, ausgezeichnet. Ich habe heute nur Jennifer vermisst.«
»So?«, tat er erstaunt. Aber ich hatte das Gefühl, dass er mehr aus Anstand überrascht war, um mir einen Gefallen zu tun.
»Ja, ein reizendes Mädchen, genau mein Typ«, schwärmte ich.
»Da sind Sie nicht der Einzige, Mr. Helborn.«
»Kann ich mir vorstellen. Ich würde Jennifer auf der Stelle weg engagieren. Der Excelsior-Club kann sich rasch ein neues Girl besorgen.«
»Lassen Sie das nicht Mr. Hamilton hören«, entgegnete der Farbige entrüstet und drohte mit dem Zeigefinger. Ich wusste nicht, ob er scherzte oder mich warnen wollte.
»Aber wenn das Girl mit meinem Angebot einverstanden ist, kann Mr. Hamilton nichts dagegen machen«, erwiderte ich.
»Bis jetzt hat keiner gewagt, ihm das Girl auszuspannen.«
Das war eine deutliche Warnung.
»Beruhigen Sie sich«, entgegnete ich, »einer wird der Erste sein. Geben Sie mir Jennifers Telefonnummer.«
Der Portier lachte schallend, als hätte ich einen guten Witz erzählt.
Ich trat auf ihn zu, fächelte mit einem großen Dollarschein und zischte: »Nicht nur die Telfonnummer will ich wissen, sondern außerdem die Adresse - aber ein bisschen schnell.«
Ich weiß nicht, was den Burschen mehr beeindruckte, meine Entschlossenheit, unter allen Umständen zum Ziel zu kommen, oder die Dollarnote. Jedenfalls griff der Portier zuerst nach dem Schein, ließ ihn in seine Tasche verschwinden und bequemte sich dann zu murmeln: »Gower Street 55.«
»Danke.«
Ich schritt an ihm vorbei zur Tür hinaus, jagte auf ein Taxi zu und riss den hinteren Wagenschlag auf, um vor Überraschungen sicher zu sein. Diesmal hockte Jack nicht im Fond. Der Driver fragte nach dem Ziel, ohne den Kopf zu mir zu drehen. Ich nannte ihm Jennifers Adresse.
Nach einer Viertelstunde stoppte der Wagen vor dem Haus Gower Street 55.
Die Haustür stand offen. Vergeblich suchte ich nach einem Bewohnerverzeichnis. Das Girl würde kaum in den teuren unteren Etagen wohnen. Ich stiefelte bis zum fünften Stock hinauf. Es war dunkel im Flur. Deshalb zündete ich ein Streichholz an und studierte die Türschilder. Es gab sechs Mietparteien auf dieser Etage. Aber Jennifer war nicht darunter. Ich stieg zwei Treppen höher und befand mich im obersten Stockwerk.
Von der Decke baumelte an einer Schnur eine elektrische Birne, die spärliches Licht verbreitete, weil es hier oben kein Flurfenster mehr gab. An der dritten Wohnungstür an der linken Seite klebte eine vergilbte Visitenkarte mit dem Aufdruck Jennifer Holden, Mannequin. Dem Alter der Karte nach zu urteilen, musste das Girl schon einige Monate hier wohnen.
Ich legte den Finger auf die Klingel. Vergeblich wartete ich auf das Geräusch der Glocke. Jemand musste sie außer Betrieb gesetzt haben. Ich bückte mich und sah durchs Schlüsselloch. Der Raum dahinter lag im Dunkeln. Vorsichtig legte ich die Hand auf die Klinke und drückte sie herunter. Die Tür sprang auf. Blitzschnell schob ich mich in den dunklen Raum und schloss die Tür.
Am Echo der Geräusche, die ich verursachte, stellte ich fest, dass ich mich nicht in einer schmalen Diele befand, sondern in einem geräumigen Zimmer, das mit Teppichen ausgelegt war. Die Vorhänge waren zugezogen. Ich hielt die Luft an und horchte. Irgendwie spürte ich, dass ich nicht allein war. Meine Hand tastete nach dem Lichtschalter und legte den Kipphebel herum. Die Neonröhren unter der Decke begannen zu klicken.
Im gleichen Augenblick vernahm ich ein pfeifendes Geräusch links neben
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