0414 - Satanische Bilder
wußte gar nicht, daß du überhaupt noch hier bist.«
Sie strich sich eine Haarsträhne aus der Stirn. »Nun, jetzt weißt du es«, sagte sie. »Ich habe auf dich gewartet.«
»Hoffentlich nicht zu lange.« Wenn er malt, vergaß er Zeit und Raum. Er hatte sich völlig auf das Teufelsbild mit der monsterbevölkerten Fantasielandschaft konzentriert und wußte weder genau, wie spät es gewoden war, noch war ihm aufgefallen, daß Su-Lynn im Haus geblieben war. Jetzt entsann er sich, daß sie ihm gesagt hatte, warten zu wollen, wenn es nicht zu lang dauerte.
»Du bist sechs Stunden im Atelier geblieben«, sagte sie und erhob sich. Sie nahm die Gläser und reichte ihm eines. Sie tranken sich zu, und Su-Lynn umarmte und küßte ihn. Cays freie Hand glitt sanft über ihr Hemd, das ihr gerade knapp über den Po reichte, und konnte darunter nichts anderes mehr durch den dünnen Stoff ertasten als ihre Haut, wie er es vermutet hatte.
»Ich bin besessen«, sagte er. »Wenn ich male, bin ich ein Besessener. Wahrscheinlich kann ich nur deshalb so gut arbeiten.«
»Gut? Deine Bilder sind fantastisch. Zeigst du mir, woran du gearbeitet hast? Ist es unser Bild?«
»Nein. Es war eine andere Auftragsarbeit. Ich weiß nicht, ob du es wirklich sehen möchtest. Bösartige Wesen sind darauf. Sie sind abstoßend und häßlich.«
Sie küßte ihn wieder. »Ich überlege es mir«, sagte sie. »Sechs Stunden… es ist mir nicht so lange erschienen. Du mußt einen tierischen Hunger haben.«
»Ja«, grinste er. »Unter anderem nach dir. Es ist schön, daß du noch hier bist.« Er begann ihr Hemd aufzuknöpfen. Mit einer Hand, weil er in der anderen noch das Whiskyglas hielt, an dem er zwischendurch nippte.
Su-Lynn entzog sich ihm. »Warte, ich habe ein paar Häppchen vorbereitet. Ich hole es her.«
Erstaunt sah er ihr nach, wie sie mit leicht wiegenden Hüften in Richtung Küche davon schritt. Sie war ihm zufällig über den Weg gelaufen und ihm durch ihre raubtierhafte Schönheit aufgefallen. Er hatte sie angesprochen und als Modell engagiert, und jetzt arbeitete er an dem zweiten Bild mit ihr. Das erste zeigte sie als spärlich bekleidete, schwertschwingende Amazone, auf dem zweiten würde sie eine ägyptische Prinzessin oder Priesterin darstellen, was auch immer es sein sollte, was der Verlagsredakteur in seiner schriftlichen und telefonisch ergänzten Bildbeschreibung haben wollte. Das fast fertige Bild stand im zweiten Atelier, ein weiteres war im dritten vorbereitet. Das dritte Bild entsprang Su-Lynns eigenem Wunsch. »Ich will kein Modellhonorar«, hatte sie gesagt, als sie einen Teil seiner Bilder gesehen hatte und sich dafür zu begeistern begann. »Ich will, daß du mich malst.«
»Aber meine Bilder sind teuer. Du wirst dir dieses ›Honorar‹ mit recht vielen Sitzungen erkaufen müssen.«
Es mache ihr absolut nichts aus, hatte sie versichert, und ihm wurde klar, was dahinter steckte: Er gefiel ihr kaum weniger als sie ihm, und sie wollte möglichst lange und möglichst oft bei ihm sein. Er war auf den Vorschlag eingegangen, und sie besaß jetzt einen Schlüssel zu seinem Haus und konnte kommen und gehen, wann sie wollte. Sie wußte natürlich, daß sie für ihn weder die erste noch die einzige Frau war, aber sie nahm es einfach hin.
»Soll es ein Porträt werden?« hatte er wissen wollen, und sie hatte ihn fröhlich angelacht. »Porträts kann ich vom Fotografen machen lassen«, erwiderte sie. »Ich will so ein Fantasy-Bild, wie du sie für deine Auftraggeber anfertigst. Male mich nackt in einer wildromantischen Landschaft mit wilden Bestien und so. Dir wird da schon etwas einfallen.«
»Etwas ungewöhnlich, findest du nicht?«
Sie lächelte nur und küßte ihn. Er stellte fest, daß sie als Modell kaum weniger eigenwilig war als mit ihrem eigenen Bildwunsch. Er verzichtete auf lange Sitzungen, bei denen die Modelle gestreßt waren, weil sie stundenlang in einer bestimmten Pose verharren sollten, sondern fotografierte und malte dann das Bild nach der Fotovorlage. Als er die ersten Fotos für das Amazonenbild machte, begutachtete sie die geplante Bildkomposition und war nicht völlig zufrieden; sie schlug ihm Posen vor, die höchstwahrscheinlich der Zensur zum Opfer gefallen wären, und als er dann das Bild malte, konnte er sie nur schwer davon überzeugen, daß die Amazone wenigstens einen Lendenschurz und eine Art Brusttuch tragen mußte. Auch das Ägypten-Bild war ihr längst nicht freizügig und erotisch genug, aber
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