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0414 - Satanische Bilder

0414 - Satanische Bilder

Titel: 0414 - Satanische Bilder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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er war unerbittlich - schließlich mußte er seine Auftraggeber zufriedenstellen, nicht sein Modell.
    Imerhin war diese seltsame Art der Zusammenarbeit ihm lieber, als wenn er ein hübsches Modell engagiert hätte, das sich krampfhaft zierte und um jeden Quadratzentimeter bedeckter Haut kämpfte und zitterte - zumal es sich im Endeffekt ja nicht um Fotografien handelte, sondern um gemalte Bilder. Aber Su-Lynn schien der Überzeugung zu sein, daß von ihrem schönen Körper gar nicht genug zu sehen sein konnte.
    Sie kam aus der Küche zurück; statt des Hemdes trug sie jetzt ein Tablett, das unter den appetitlich zurecht gemachten Häppchen fast zerbrach. »Greif zu, hungriger Mann«, sagte sie doppeldeutig.
    Sie ließen sich vor dem Kaminfeuer nieder und machten sich zunächst über die Häppchen her. Cay spürte jetzt, daß er tatsächlich entschieden hungrig war. Später liebten sie sich vor dem Feuer, und noch später verkündete Su-Lynn, daß sie das Bild mit Teufel und Ungeheuern doch sehen wollte.
    »Auf deine Verantwortung«, sagte er. »Wenn du danach schlecht schlafen kannst, ist das nicht meine Schuld.«
    Sie lachte leise. »Wenn du es malst und danach gut schlafen kannst, wird es wohl nicht so schlimm sein. Andernfalls mußt du eben dafür sorgen, daß ich keine Alpträume habe. Ich hätte da schon ein paar Ideen…«
    »Also gut. Schauen wir es uns an…«
    ***
    Der dem Bild entstiegene Teufel glitt einem Schatten gleich durch die Nacht. Er war schnell, und er legte in kurzer Zeit eine größere Entfernung zurück.
    Nach einer Weile setzte der Denkprozeß ein. Er begann zu erkennen, wer und was er war, und er suchte nach einem Ziel. Es konnte nicht der Zweck seiner neu entstandenen Existenz sein, daß er ziellos durch die Landschaft irrte.
    Er war ein Teufel, ein Dämon. Er war künstlich entstanden, und er mußte herausfinden, weshalb das geschehen war. Er brauchte einen Unterschlupf, in dem er in Ruhe überlegen konnte.
    Schon bald sah er ein Licht vor sich in der Dunkelheit. Ein erleuchtetes Fenster. Dort stand ein Haus, dort würde er Unterschlupf finden.
    Er näherte sich dem Gebäude…
    ***
    Su-Lynn schmiegte sich an Cay und schaute das Bild an, das noch auf der Staffelei stand. Morgen würden die Farben restlos trocken sein. Dann kam ein firnisähnlicher Spray darüber, um alles fest und abriebsicher zu machen, das fertige Bild würde fotografiert werden, und das Dia ging zum Verlag. Bei den wenigsten Bildern wollten die Auftraggeber die Originalbilder haben; ein Dia reichte, um es auf Papier zu reproduzieren. Bei Großplakaten war das anders…
    »Furchterregend«, sagte Su-Lynn leise. »Du hattest recht… das ist ein Bild, das Alpträume verursachen kann. Ich hoffe, daß es verkleinert etwas von seiner Wirkung verliert.«
    »Es wird im Illustriertenformat erscheinen«, sagte Cay. Das Original hatte mehr als die doppelte Größe. Cay arbeitete meistens mit großen Leinwänden, um so fotografischer wurden die Abbildungen später im Druck.
    Seine Augen wurden schmal, der Kopf ruckte unwillkürlich vor, als ihm die Veränderung auffiel. Im ersten Moment, als er eintrat und die Beleuchtung einschaltete, hatte er kaum darauf geachtet. Su-Lynns aufregende Nacktheit hatte ihn, der nach sechs Stunden Atelier-Streß Entspannung suchte und fand, abgelenkt. Außerdem sah das Bild trotz der Veränderung fertig aus.
    Auch das war wohl einer der Gründe, weshalb ihm diese Veränderung nicht auf den ersten Blick aufgefallen war. Etwas fehlte, aber nichts deutete darauf hin.
    »Moment mal…«
    Er schob Su-Lynn von sich und trat bis dicht vor die Staffelei. Seine Finger glitten über das Bild, über die antrocknenden Farben.
    »Das gibt’s nicht…«
    »Was ist los?« fragte Su-Lynn arglos.
    »Das ist einfach unmöglich. Der Teufel fehlt.«
    »Häh?« machte sie begriffstutzig. Was sie sah, war ein fertiges Bild, an dem es an nichts fehlte. Jede Kleinigkeit war ausgearbeitet, wie es für Ricardo Cay typisch war. An jedem noch so winzigen Teil stimmt die Licht-Schatten-Wirkung, jede Rippe, jedes Wirbelstück an den Hintergrund-Skeletten war exakt wiedergegeben - sie hatte mitbekommen, wie umständlich das Fotografieren eines Schul-Skelettes gewesen war, in verschiedenen Posen, damit genug Vorlagen existierten. Einige der Monster waren, da es natürlich für sie keine Vorbilder gab, frei gestaltet, aber es war ihnen kein Unterschied zu den anderen Figuren anzusehen. In diesem Fall war Cay eben ein Naturtalent.

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