0414 - Satanische Bilder
Wenn er nach Fotos arbeitete, erleichterte er sich und den Modellen lediglich die Arbeit. An der künstlerischen Ausarbeitung änderte das nichts.
»Ich glaube, das einzige, was fehlt, ist das erotische Element«, sagte sie und trat neben ihn. »Du weißt doch -die Schöne und die Bestie. Vielleicht solltest du noch irgendwo ein nacktes Mädchen einarbeiten, vielleicht als Opfer einer dieser Bestien…«
»Du verstehst nicht«, sagte er. »Hier, im Vordergrund, befand sich eine Teufelsgestalt. So groß.« Er deutete es mit der Hand an. »Der Teufel war das Hauptmotiv dieses Bildes. Das darf doch einfach nicht wahr sein.«
»Du hast vielleicht vergessen, ihn zu malen.«
»Nein, zum Teufel.« Er verschluckte sich und hustete. »Nein«, fuhr er dann fort. »Der Teufel war doch die Figur, an der ich zuletzt gearbeitet habe. Er sollte doch so perfekt wie möglich sein. Deshalb hat es so lange gedauert, bis die Farben stimmten und die Licht-Schatten-Wirkung richtig war…«
»Das ist aber doch unmöglich«, erwiderte sie. »Du mußt dich irren, oder hast du vielleicht an einem anderen Bild gearbeitet? An unserem? Ricardo, dieses Bild ist fertig. Da ist eine durchgehende, in sich geschlossene Höllenlandschaft. Wo sollte da noch ein so großer Teufel, wie du ihn angedeutet hast, hinpassen?«
»Aber, lieber Himmel, ich weiß doch, was ich gemalt habe und was nicht!« entfuhr es ihm verärgert. »Das hier ist einfach unmöglich !«
Wieder betastete er das Bild. Er fragte sich, ob er unter Halluzinationen litt. Aber das war ihm doch nie vorgekommen. Was hatte er in diesen sechs Stunden getan? Eine Landschaft ausgemalt? Er wußte, daß er den Hintergrund dort ausgespart hatte, wo er heute den Teufel hatte malen wollen. Die Konturen waren mit Graphit vorgezeichnet gewesen. Er konnte aber allenfalls eben diese ausgesparten Konturen jetzt mit der Landschaft ausgefüllt haben.
Aber dazu hätte er schon verdammt närrisch sein müssen. So, wie das Bild jetzt aussah, konnte er es doch nicht abliefern. Die ganze Arbeit dieses Tages war umsonst. Er würde die Stelle morgen neu übermalen müssen, den Teufel erneuern…
Aber er hatte ihn doch gemalt!
Er überlegte. Sollte er vielleicht doch an einer anderen Staffelei gestanden haben? Er wandte sich um, wollte schon in den beiden anderen Ateliers nachschauen, als er die Farbenpalette sah. Sie lag in diesem Raum, also hatte er auch hier gemalt. Er pflegte sie meistens irgendwo in der Nähe hinzulegen; säubern konnte er sie am nächsten Tag besser, wenn die eingetrockneten Farbreste einfach abplatzten, sobald er die aus einem hartgummiähnlichen Kunststoff bestehende Palette leicht bog. Das ersparte ihm eine Menge Schmiererei.
»Unmöglich…«
Das Wort schien zu seinem Standard-Ausspruch zu werden. Ratlos sah er Su-Lynn an. »Sag du mir, wie das möglich ist. Ich habe hier einen Teufel hingemalt. Schau dir die Palette an. Die Farben darauf. Mindestens drei Farbtonmischungen des Hintergrundes sind dabei nicht vertreten.«
»Vielleicht hast du sie weggewaschen, um Platz zu finden.«
»Nein«, sagte er. »Das tue ich nie. Ich warte eher auf den nächsten Tag.«
»Ich kann mir das nicht vorstellen«, sagte Su-Lynn. »Wenn du diesen Teufel gemalt hast, muß er doch da sein. Oder glaubst du, er wäre einfach aus dem Bild geklettert? Und ein böser Mitmensch kann auch nicht in den letzten zwei Stunden eingestiegen sein, um deinen Teufel einfach zu übermalen.«
Er nickte düster. »Abgesehen davon, daß es niemanden gibt, der meinen Stil so gut kopieren kann, und abgesehen davon, daß es mit Sicherheit länger als zwei Stunden gedauert hätte, wäre es auch technisch unmöglich. Die Farben waren frisch, es hätte kein harmonisches Bild, sondern eine elende Schmiererei gegeben, weil sich die feuchten Farben eher vermischt hätten, als sich zu überdecken.«
»Woraus wir folgern, daß du diesen Teufel nicht gemalt haben kannst.«
»Aber hier, die Palette… ich bin doch nicht verrückt, Su-Lynn! Hier ist etwas passiert, was ich nicht begreife!«
Er stürmte aus dem Atelier in den Nachbarraum, wo das Ägyptenbild stand. Es war fast vollendet, nur ein Motiv fehlte noch, ein am Himmel schwebender Horusfalke. Die Landschaft war fertig, der aus dem aufklaffenden Felsboden kletternde, halb mumifizierte Mann ebenso wie die über ihm schwebende Goldmaske und die Figur der Priesterin im Vordergrund. Hier hatte er also beim besten Willen keinen Teufel irrtümlich hineingemalt, abgesehen
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