0416 - Das Duell der Halbstarken
Waffe aus der Hand, drehte sie um und zeigte ihm die Bohrungen des Trommelmagazins. In den fünf Bohrungen, die zu erkennen waren, schimmerten mattgrau die Spitzen scharfer Munition.
Phil zog die Augenbrauen hoch. »Diese Kanone ist auch…«
»… scharf geladen«, ergänzte ich.
***
Unser Chef, Mr. High, hatte uns in sein Büro gebeten. Auf seinem Schreibtisch häuften sich die Zeitungen. Mit einer Handbewegung wies er auf die Sessel.
»Berichten Sie, Jerry!«
»Der junge Rovelt hat die Operation gut überstanden. Nach Meinung der Ärzte besteht kaum noch Lebensgefahr. Selbstverständlich kann er frühestens in einigen Tagen vernommen werden.« Ich zündete mir eine Zigarette an. »Beide Colts, die die Jungen zu ihrem lächerlichen Duell benutzten, waren mit scharfer Munition aus einer Schachtel geladen, die wir in Rovelts Spind fanden. Heley behauptete, er hätte seine Waffe nicht mit scharfer Munition geladen und er hätte auch nichts dergleichen mit Jimmy Rovelt verabredet. Die Cowboy-Ausrüstung der Jungen hängt in unverschlossenen Spinden. Es gibt mehrere Möglichkeiten, in das Haus einzudringen. Irgendwer kann also leicht die Munition in den Colts ausgetauscht haben.«
»Wer wußte von dem Duell?« fragte Mr. High.
»Zuviel Leute, als daß wir unter ihnen den Täter oder den Informanten des Täters finden können. Lizzy Round, das Girl, um das es bei diesem Duell ging, ist mit der Geschichte mächtig hausieren gegangen und hat sie überall herumerzählt.«
»Hat Heleys Vater auch Drohbriefe bekommen?«
»Jack Heleys Vater ist tot. Der zweite Mann seiner Mutter, Christoph W. Darring, ist lediglich sein Vormund. Er hat nie einen Brief, in dem eine Drohung gegen das Leben des jungen Heley und eine Forderung nach Geld ausgesprochen waren, bekommen.«
Mr. Highs Finger spielten mit dem Bleistift. Da der Chef für gewöhnlich auch die geringste seiner Bewegungen unter Kontrolle hielt, verriet schon die kleine Geste das Ausmaß seiner Unruhe. Ich konnte sie nicht begreifen, denn der Fall war mir nicht sehr außergewöhnlich vorgekommen.
»Irgendwelche Unbekannten drohen Mr. Rövelt, sie würden seinen Sohn töten, wenn er nicht zahle. Rovelt zahlt nicht. Prompt geschieht bei einem an sich lächerlichen ,Duellspiel‘ ein Unglücksfall«, rekapitulierte der Chef. »Oder war es ein Mordversuch? Wir nehmen Mordversuch an, aber warum lud der Unbekannte dann nicht nur Heleys Colt, sondern auch Rovelts Waffe scharf? Es kann ihm doch nur darauf angekommen sein, den jungen Rovelt zu töten.«
»Die Sache wird noch rätselhafter, Chef«, meldete sich Phil zu Wort. »Im Normalfall versteht es Jimmy Rovelt, viel schneller zu ziehen und abzudrücken als sein Gegner. Er ist absolute Spitze in diesem komischen Club. Die Chancen standen also zwanzig zu eins dafür, daß, wenn schon mit scharfer Munition gespielt wird, Jimmy Rovelt den anderen erschießt und nicht umgekehrt.«
»Der Grund?« fragte Mr. High knapp. »Eine Schlaufe des Nahtgarnes, in der sich die Kimme verfing.«
»Zufall?«
Phil und ich zuckten gleichzeitig die Achseln. Phil gab die Antwort: »Ungefähr zweihundertmal habe ich Rovelts Colt in die Halfter geschoben und ihn im Stile der Boys gezogen. Nur viermal verfing sich die Kimme in der Schlaufe. Immerhin, sie verfing sich. Wir können den Zufall nicht ausschließen.«
Mr. High warf den Bleistift auf die Zeitungen.
»Das Schlimmste erwartet uns noch. Ein halbes Dutzend Zeitungen haben das unglückliche ›Duell‹ im Tradition-Club groß herausgebracht. Das wäre noch nicht wichtig. Eine Schießerei zwischen zwei unreifen Jungen aus romantischen Gründen mag die Gemüter der Bürger in Wallung bringen, aber die Leute, die wir bekämpfen, würden sich kaum dafür interessieren.«
Er suchte zwei Exemplare aus den Zeitungen heraus und gab je eines Phil und mir. »Das hier hat größere Bedeutung«, sagte er.
Ich las die Überschrift.
»Erpresser führen Drohung aus. James Rovelts Sohn schwer angeschossen!«
Die Schlagzeile der Zeitung, die der Chef Phil zugeworfen hatte, war noch knalliger.
»Vater zahlt nicht! Sohn muß sterben!«
Ich überflog die Zeilen des Berichtes. Der Reporter hatte herausgefunden; daß James Rovelt Drohbriefe erhalten hatte. Es gab eine Menge Quellen für diese Information. Die Sache mit den Drohbriefen war ja auch im Tradition-Club bekannt gewesen.
»Sie wissen, was die Veröffentlichungen bedeuten«, sagte Mr. High. »Alle Eltern, die in Zukunft einen Drohbrief
Weitere Kostenlose Bücher