0417 - Die Straße der Gräber
rief Tremper über die Schulter hinweg.
»Ja.«
»Gut, dann los.« Er klappte die Haube zu, die Instrumente hatte er überprüft.
»Brauchen wir keinen Fallschirm?« fragte ich.
»Nein, bei mir nicht.«
Ich hob nur die Schultern. Noch standen wir, Sekunden später schon begann der Startvorgang. Durch die Maschine lief ein Ruck.
Eine Winde hatte ihre Arbeit aufgenommen.
Es knirschte unter dem Rumpf, als wir über den glatten Schnee glitten. Wir wurden schneller, immer schneller. Ich schloß für einen Moment die Augen.
Als ich sie wieder öffnete, hatten wir bereits abgehoben. Nun hatte ich mich endgültig Mark Tremper ausgeliefert…
***
Dieses Gefühl verschwand ziemlich schnell, weil es einfach herrlich war, lautlos zu fliegen. Ich genoß es. Ich fühlte mich wie ein Vogel, sah unter mir die verschneite Landschaft, die flachen Höhen des Südschwarzwalds und konnte sogar bis zu den fernen Bergriesen der Schweiz schauen, die sich, weißbläulich schimmernd, als Eisgiganten in der klaren Winterluft abzeichneten.
»Sie müssen einen solchen Flug genießen!« hörte ich die Stimme des Piloten. »Das bekommt man nicht alle Tage geboten.«
»Da haben Sie recht.«
Tremper legte die Maschine in eine Kurve. Ich wurde nachrechts gedrückt, von den Gurten gehalten. Wahrscheinlich wollte er mir zunächst die Landschaft zeigen, denn unserem Ziel, so glaubte ich, näherten wir uns nicht.
Klein wie Puppen sahen die Skiläufer aus, die über die Hänge talwärts preschten. Ich vergaß meine eigentliche Aufgabe und blickte fasziniert aus der Kanzel.
Etwa drei Runden flogen wir über die flachen Kuppen des Südschwarzwalds. Dann drehten wir in Richtung Norden ab. »So, das Vergnügen ist vorbei«, erklärte der Stuntman. »Wir werden jetzt das Tal anfliegen, das es tatsächlich gibt. Wundern Sie sich nicht, wenn der Schnee bald verschwindet. In den tiefer liegenden Tälern hat es in der letzten Zeit nur geregnet. Pech dort für die Leute.«
»Und was ist, wenn wir das Tal gesehen haben?«
Tremper lachte. »Lassen Sie sich überraschen.«
Sein Lachen hatte mir nicht gefallen, die Antwort auch nicht. Ich wurde wieder mißtrauisch, hielt aber den Mund und beobachtete nur. Die Landschaft unter uns änderte sich schnell. Es dauerte nicht lange, da schaute ich auf eine bleigraue Fläche zwischen den Bergen. Es war der bekannte Titisee.
Wir flogen nach Westen und gingen tiefer.
Der Schnee wurde tatsächlich weniger. Schon sah ich das Grün der Bäume. Nur an den Nordhängen lag noch die weiße Schicht, aber auch sie hatte einen grauen Schimmer und war für eine Skifahrt untauglich.
»Wir sind bereits in der Nähe des Tals«, wurde mir erklärt.
Gleichzeitig verloren wir weiter an Höhe.
Tremper konzentrierte sich jetzt, er sprach nicht mehr, bis er mit dem Kopf nach rechts deutete und erklärte: »Das ist das Tal.«
Ich blickte in die Tiefe. Es lag so unter uns, wie der Mann es im Café beschrieben hatte. Es war tatsächlich eng und bewaldet. Ich sah einen kleinen Bach und Häuser, die in den Hang hineingebaut waren. Zu ihnen führten jeweils schmale Wege von der Hauptstraße hoch.
Am südlichen Ende des Tals flog Tremper eine Schleife.
»Kehren wir jetzt zurück?« fragte ich.
Er antwortete anders, als ich es mir vorgestellt hatte. »Wissen Sie eigentlich, Sinclair, daß Sie sich in meiner Hand befinden?«
In mir schlug eine Alarmglocke an. Trotzdem blieb ich ruhig und fragte gelassen. »Wie meinen Sie das denn?«
»So wie ich es gesagt habe. Sie befinden sich in meiner Hand. Ich kann mit Ihnen machen, was ich will.«
»Und was wollen Sie?«
Da lachte er. »Noch nie hat es eine so spektakuläre Entführung gegeben, Sinclair. Ihr Pech, daß Sie sich freiwillig gemeldet haben.«
»Und was haben Sie jetzt vor?«
»Wir werden landen.«
»In diesem Tal?«
»Sicher.«
»Und dann?«
»Läuft alles weiter wie geplant. Es gibt Dinge, die muß man einfach tun, wenn Sie verstehen.«
»Tut mir leid, im Augenblick nicht.«
»Na ja, wir werden sehen.«
Ich überlegte, bevor ich Tremper wieder ansprach. »Was ist, wenn ich nun überhaupt keine Lust habe, mit Ihnen hier in diesem Tal zu landen?«
»Das werden Sie müssen.«
»Ich bin bewaffnet und könnte Sie zwingen…«
Seine laute Stimme unterbrach mich. »Machen Sie sich nicht lächerlich, Mann. Zu nichts können Sie mich zwingen. Zu gar nichts. Wir sitzen hier in einem Flugzeug, Sie können nicht einfach aussteigen. Nicht umsonst habe ich auf einen
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