0418 - Zwei Orchideen für eine Tote
rechts und links aus seinen Flanken Wasser über die ohnehin schon nasse Straße sprühte.
Ich mußte das Tempo erheblich verringern, weil zum Überholen kaum Platz war. Als wir an dem Führerhaus des Tankwagens vorbeirollten, schob Phil den Kopf durchs Fenster.
»Ihr müßt mal im Sommer kommen, wenn's trocken ist«, rief er dem rotgesichtigen Fahrer zu. Der Mann tippte an seine Mütze, zuckte die Achseln und grinste.
»So werden die Steuergelder vergeudet«, grinste mein Freund.
»Reg dich nicht auf, Kleiner«, sagte ich. »Die paar Cent von dir reichen kaum, um einem Jungen die Wasserpistole zu füllen.«
In der Nähe der Water Street ließen wir den Jaguar stehen.
Als wir zu Fuß weitergingen und die BMT-Brücke erreichten, sahen wir einen Cop in Sommeruniform. Er stand auf der einsamen Straße neben einem geschlossenen Zeitungskiosk, wippte auf den Zehenspitzen und hielt nach allen Seiten Ausschau. Als er uns sah, kam er näher. Sein großporiges braunes Gesicht war mit winzigen Schweißtröpfchen übersät.
»Hallo«, sagte ich und blieb stehen. »Wir sind G-men.« Ich ließ für einen kurzen Augenblick den FBI-Stern in der Sonne funkeln. »Wo steckt der Kerl?«
»Ich zeig's Ihnen.«
Zu dritt gingen wir bis zur nächsten Straßenecke. Hier begann die Water Street.
»Dort«, sagte der Cop. »Das vierte Haus auf der linken Seite. Battery Hotel nennt sich der Kasten. Sieht ganz so aus, als müßte man die Gesundheitspolizei mal vorbeischicken.«
Da wir ebenfalls auf der linken Straßenseite standen, konnte ich von dem Haus nicht viel sehen.
»Brauchen Sie mich noch?« fragte der Cop. Sein Gesicht leuchtete hoffnungsvoll.
Ich hatte schon ,Nein‘ sagen wollen, besann mich aber. »Kennen Sie die Rückseite des Gebäudes?«
»Ja. Man kommt von der Pearl Street ‘ran.«
»Sichern Sie die Seite. Es könnte sein, daß uns der Kerl entwischt und durch die Hintertür verschwindet.«
»Okay, Sir.« Der Cop machte kehrt, trabte davon und verschwand in der Einmündung der Parallelstraße.
Phil hob den Kopf. »Über die Dächer kann er diesmal nicht.«
Mein Freund hatte recht. Das Battery Hotel war ein schmalbrüstiges Gebäude von drei Stockwerk Höhe. Es hatte sich in die Häuserzeile zwischen einen vierstöckigen Steinkasten und ein sechs Etagen hohes Nachbarhaus gequetscht. Um auf eines dieser Dächer zu gelangen, hätte Hammer eine lange Leiter gebraucht.
Das Battery Hotel sah aus, als würde es jeden Augenblick in sich zusammenbrechen. Ich wunderte mich, daß nirgendwo ein Schild mit dem Hinweis ›Einsturzgefahr‹ angebracht war. In einer Eingangsnische führten ein paar Stufen zu einer zerkratzten Tür empor. Sie war nur angelehnt. Ich stieß sie auf und trat in eine Art Vorhalle.
Phil sah sich um und schüttelte den Kopf. »Hier kann man nicht mal die Touristen einer Pauschalreise unterbringen.«
Neben einer schmalen, aufwärtsführenden Treppe krümmte sich ein nierenförmiges Anmeldepult. Dahinter an der Wand hing ein Schlüsselbrett. Bis auf drei brüchige Korbstühle, einen wackeligen Tisch und eine hohe Zimmerpalme, auf deren ledrigen Blättern fingerdick der Staub lag, war die Empfangshalle leer.
Ich räusperte mich zweimal vernehmlich, aber kein Mensch erschien.
»Zehn Zimmer hat der Laden«, sagte Phil nach einem Blick auf das Schlüsselbrett. »Acht sind besetzt. Zumindest fehlen die Schlüssel. Wir haben die Wahl.«
»Es muß doch in diesem Laden jemanden geben, der sich um die Gäste kümmert.«
Ich blickte mich um. Es gab drei Türen. Auf der einen stand ›Gents‹, auf der zweiten ›Ladies‹, auf der dritten ›Private‹.
Ich strapazierte meine Knöchel und klopfte gegen Tür Nummer drei. Nach mehreren Wiederholungen grunzte jemand anhaltend. Dann knarrten Bettfedern. Schließlich näherten sich schlurfende Schritte.
Die Tür wurde aufgerissen, und ein Gemisch hochprozentigen Gin-Atems, aufdringlichen Parfüms und ungelüfteter Bude wehte mir entgegen.
»Guten Morgen, Madam«, sagte ich und lüftete artig meinen Hut.
Sie war mindestens sechzig, aber wie ein wilder Teenager aufgemacht. Daß sie gerade aus den Federn gekrochen war, hieß nicht, daß sie sich in einigermaßen gewaschenem oder abgeschminktem Zustand befand. Sie gehörte zu dem Typ, der nach jedem zweiten Satz zu sagen pflegte: »Noch vor zwanzig Jahren, junger Freund, war ich die schönste Frau in New York.«
Ich sah ein breites, faltiges, mit Puder überkleistertes Gesicht, lange, angeklebte Wimpern,
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