0421 - Report eines Neandertaler
verständiger.
„Wollen wir ein wenig im Park spazieren gehen?"
fragte Rhodan. „Es ist herrlich draußen."
Lord Zwiebus sprang begeistert auf.
„Gern, Rhodan. Zwiebus immer in Zimmer, kann nicht rennen. Draußen viel Wild, ja?"
Perry Rhodan schüttelte den Kopf.
„Außer Vögeln und Eichhörnchen gibt es kein Wild im Park, Lord Zwiebus. Aber schon die frische Luft wird dir gut tun."
Er musterte den Neandertaler. Zwiebus trug, wie gewöhnlich, nur einen ledernen Lendenschurz mit farbigen Ornamenten; die erste künstlerische Arbeit, die er in seinem Leben vollbracht hatte. Er beschloss, Zwiebus so gehen zu lassen, wie er war.
Ganz kurz trat in Lord Zwiebus' Augen ein Ausdruck des Bedauerns darüber, daß es kein Wild zu jagen gab. Doch die Tatsache, daß er mit Perry Rhodan gehen würde, half ihm rasch über die Enttäuschung hinweg.
Mit schaukelndem Gang folgte er dem Freund hinaus. Seine Augen spähten wachsam umher, eine Angewohnheit aus seinem ersten Leben vor zweihunderttausend Jahren. Manchmal krampften sich die Finger der Rechten zusammen; sie vermissten die Keule. Doch darauf musste er vorerst noch verzichten. Man durfte einen Rückfall nicht ausschließen, und niemand konnte vorhersagen, wie er sich dann verhielte.
Perry Rhodan führte Zwiebus in den Englischen Garten des Parks. Dort gab es weite Rasenflächen, auf denen der, Neandertaler sich austoben konnte, ohne wertvolle Pflanzen zu zerstören.
Lord Zwiebus gab einige kehlige Laute von sich, als er die frische Luft atmete, die zahllosen Vögel zwitschern hörte und den Geruch warmer Erde und Gräser wahrnahm. Plötzlich raste er mit einem Freudengeheul davon, quer über eine große Wiese und in einen Zierteich hinein. Das Wasser spritzte hoch auf. Wasserhühner ruderten wie wild davon, und etwa ein Dutzend Wildenten flüchteten mit knarrenden Flügelschlägen.
Prustend und schnaubend tauchte der Neandertaler wieder auf. Die Augen unter den vorspringenden Knochenwülsten funkelten triumphierend; die gelblichen Zähne gruben sich tief in den feisten Rücken eines mindestens unterarmlangen Goldfisches. Zwiebus schlang das zappelnde Tier mit Kopf, Schwanz und Gräten hinunter, rülpste laut und kehrte schmatzend zu Rhodan zurück.
Der Großadministrator erholte sich von seiner Verblüffung. Er hätte das Verhalten des Neandertalers normalerweise gerügt, aber diesmal freute er sich viel zu sehr über die wiedererwachte Lebensfreude des Vorzeitmenschen, als daß er ihn hätte tadeln können.
Lord Zwiebus schüttelte sich wie ein Hund, daß die Wassertropfen nur so flogen.
„Gut hier", sagte er im Ton tiefster Zufriedenheit.
„Warum nicht immer so? Warum immer eingesperrt?"
„Du warst krank", erklärte Rhodan ernst. „Heute nacht bist du zum erstenmal wieder aus deiner Umnachtung erwacht."
„Umnachtung ... ?" fragte Zwiebus gedehnt. „Was das? Ich schlafen, ich wach werden, das alles."
„Du hast lange Zeit nicht denken können", versuchte Perry Rhodan zu erklären. „Viele Tage lang. Du hättest nicht einmal mich erkannt"
„Das nicht wahr!" protestierte der Neandertaler heftig. „Ich dich immer erkennen. Du mein Freund."
„Selbstverständlich, Lord Zwiebus." Rhodan überlegte, wie er dem Vorzeitmenschen den Begriff „geistige Umnachtung" verständlich machen konnte, ob es überhaupt sinnvoll war, das zu versuchen. Aus den Augenwinkeln nahm er eine Bewegung wahr.
Das gab den Ausschlag. „Man kann auch sagen, du hättest lange, geschlafen. Und im Schlaf erkennt man ja niemanden, nicht wahr?"
„Lord Zwiebus schon"; erklärte der Neandertaler.
„Ich spüren, riechen und aufwachen und ..."
Er erstarrte.
Perry Rhodan presste die Lippen zusammen und beobachtete den Neandertaler in banger Erwartung.
Soeben waren Tan Dehuter, Galbraith Deighton und Alaska Saedelaere hinter einer Gehölzgruppe herangekommen. Sie schlenderten einen schmalen Weg zwischen Heidekrautflächen und Säulenwachholder entlang, wobei das Gesicht Alaskas immer wieder dem Neandertaler zugewandt war. Rhodan erkannte an der orangefarbenen Korona um Alaskas Gesichtsmaske, daß das Fremde in seinem Gesicht aktiv war. Es musste den Transmittergeschädigten ungeheure Willenskraft kosten, dennoch den Spaziergänger zu spielen.
Lord Zwiebus starrte unverwandt auf den Mann mit der Maske, der für ihn ein Fremder war. Die tiefliegenden Augen glühten in unheimlichem Feuer.
Aber der Neandertaler sagte kein Wort. Er bewegte sich nicht einmal, wandte keinen Blick
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