0422 - Der Werwolf-Jäger
diese Ruhe vor dem Sturm.
Bevor sich der Werwolf-Jäger daran begab, die einzelnen Etagen abzusuchen, sah er noch einmal den Schacht hoch.
Da entdeckte er die Bewegung.
Er hatte sogar erkannt, daß die Person auf der vierte Etage stand, also dort, wo Kirgins Büro lag. Er war es nicht, der hinabgeschaut hatte, auch nicht dieser Engländer.
Vielleicht ein Werwolf.
Es war einfach zu schnell für den Russen gegangen, aber das plötzliche Auftauchen des Gesichts hatte ihm bewiesen, daß die andere Seite nicht untätig war.
Michail huschte die Treppe hoch. Er hielt sich dabei dicht an der Wand. Mit den Fingern der Linken umklammerte er den geriffelten Bogengriff in der Mitte der Beugung. Einen Pfeil hatte er sich zwischen die Zähne geklemmt.
In der ersten Etage blieb er stehen, warf einen Blick auf die geschlossenen Türen und prüfte nach, ob sie auch verschlossen waren.
Sie waren es in der Tat.
Sehr vorsichtig hatte er die Klinke nach unten gedrückt. Eine Reaktion aus dem Innern des Büros erlebte Michail nicht. Auch die zweite Tür ließ sich nicht öffnen, aber man hatte etwas gesehen, denn er vernahm die fragende und schüchtern klingende Frauenstimme. »Wer ist da? Können Sie nicht öffnen?«
Der Werwolf-Jäger gab keine Antwort. Außerdem wollte er den Menschen keine unbegründeten Hoffnungen machen. Erfüllen konnte er sie sowieso nicht.
Deshalb zog er sich zurück und ging seinen eigenen Weg. Der führte ihn in die zweite Etage.
Hier erwartete ihn das gleiche: leere und verschlossene Türen. In der dritten ebenfalls, und allmählich wurde er ungeduldig. Wenn es keine andere Möglichkeit gab, wollte er irgendeine der Türen einrammen, und zwar in der vierten Etage, seinem ersten Etappenziel.
Noch zwei Absätze hatte er zurückzulegen, und Michail dachte wieder an das Gesicht, das er entdeckt hatte. Wahrscheinlich erwartete man ihn schon.
Er hatte seinen Kopf in den Nacken gelegt, um schräg in die Höhe zu schielen. Durch die Lücken zwischen den Geländerstäben konnte er seinen Gegner nicht sehen.
Als der letzte Treppenabsatz vor ihm lag, schnellte er plötzlich los und überwand ihn mit drei gewaltigen Sprüngen. Jetzt stand er dort, wo der andere gestanden haben mußte.
Von ihm sah er nichts.
Michail öffnete den Mund. Der Pfeil fiel in seine griffbereite Hand und wurde auf die Sehne gelegt, die er noch nicht spannte.
Den Bogen in Anschlag, drehte er sich auf der Stelle, sah sich in der unmittelbaren Umgebung um und vernahm auch leise Stimmen. Sie drangen aus dem Büro des Delegationschefs Kirgin.
War dort auch abgeschlossen?
Bevor Michail dies nachprüfen konnte, wurde die andere Tür geöffnet. Sie lag hinter ihm, er hörte das Geräusch, drehte sich um, spannte die Sehne sofort, schoß aber nicht, denn vor ihm stand ein Mann mit braunen Haaren. Er trug einen unauffälligen Anzug, das Gesicht wirkte blaß, aber Michail kannte diese Typen. Die Partei setzte sie allzu gern als Aufpasser und Überwacher ein. Wenn Not am Mann war, übernahmen diese Kerle auch Schlägerfunktionen.
Chirianow war froh, es nicht mit einem Werwolf zu tun zu haben, er entspannte sich ein wenig, sah das Nicken des Fremden und faßte diese Geste als Aufforderung auf.
Er ging zu ihm.
Der Mann gab schweigend den Weg frei, so daß Michail an ihm vorbei in das Büro gehen konnte.
Er sah den leeren Schreibtisch, die leeren Stühle und die hohen Einbauschränke an der Wand rechts neben dem Fenster. Hinter ihm schloß der Unbekannte die Tür.
Michail hatte plötzlich das Gefühl, in der Weite der Tundra zu sitzen und auf einen bestimmten Vorgang zu lauern. Auch dort hatte er stets die Gefahr gespürt, wenn sie sich in der Nähe befand.
Wie hier!
Es gab nur einen, von dem die Gefahr ausgehen konnte. Der Mann, der ihn ins Zimmer gelassen hatte.
Michail drehte sich auf der Stelle um. Sie schauten einander lange an, und der Typ nickte, bevor er zur Seite ging. Gesprochen hatte er noch nicht, das sollte sich ändern, denn Michail stellte die erste Frage.
»Was ist hier los?«
Der Russe blieb hinter dem Schreibtisch stehen, Michail davor.
Eine Antwort gab der Mann nicht. Er hob die Schultern, aber Michail wollte sich mit dieser Reaktion nicht zufrieden geben.
»Kannst du nicht sprechen?« fuhr er den Typen an.
Der hob den Kopf.
Abermals sahen sie sich gegenseitig an. Michail fühlte sich irritiert.
Etwas störte ihn… In den Blicken lag nichts Menschliches.
Nichts Menschliches?
Michail überlegte. Wenn das
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