0424 - Der Drachen-Clan
stimmte hier nicht…
Aber Ted sprach kein Wort mehr. Es war sinnlos, momentan weiter mit Lee Kwong zu reden. Der Mann war Polizist und hatte damit garantiert mehr Befugnisse, als Ted sich träumen lassen konnte, der die hiesige Gesetzgebung nicht völlig auswendig kannte. Auf britisches Recht konnte er sich nicht unbedingt verlassen. Und wenn Lee Kwong aus eigener Machtvollkommenheit handelte…
Es war besser, nichts mehr zu sagen, sich morgen aber nicht bei Lee Kwong, sondern bei seinem Vorgesetzten zu melden.
Grimmig sah Ted den Beamten hinterdrein.
Lo Yina umklammerte seinen Arm.
»Wir müssen fort, Teodore«, stieß sie hervor. »Schnell. Dieser Mann - hat mit dem Messermörder Zeichen ausgetauscht.«
Ted hob die Brauen. »Bitte?«
»Sie haben sich durch Zeichen verständigt, Teodore. Der Lieutenant mag zwar Polizist sein, aber er gehört ebenfalls zu einer Triade. Er ist ein Verbrecher. Vielleicht wissen seine beiden Begleiter gar nichts davon. Aber ich habe gesehen, wie sie sich gegenseitig Zeichen gaben, der Gangster und Lee Kwong.«
Ted preßte die Lippen zusammen. Das war es also, was nicht stimmte. Er wunderte sich ein wenig, daß sein Gespür nicht angesprochen hatte, eine Art unterbewußte Witterung, die ihn auf Dinge aufmerksam machte, die nicht in Ordnung waren. Diesem Gespür hatte er auch seine beispiellose Karriere zu verdanken. Aber hier hatte es versagt.
Er nickte.
»Okay, wir verschwinden, Yina. Sofort.« Er zog sie mit sich aus dem Zimmer, ließ es unverschlossen.
»He - aber deine Sachen… du kannst doch nicht einfach…«
»Alles, was ich wirklich brauche, habe ich bei mir«, sagte er. Er klopfte auf die Tasche seiner Jacke, in der der Dhyarra-Kristall steckte. Wenn Lieutenant Lee Kwong zu derselben Verbrechergruppe gehörte wie der Gefangene, den er gerade vor ein paar Minuten abtransportiert hatte, dann war in dieser Nacht garantiert noch mit einem weiteren Besuch zu rechnen.
Aber Teds Bedarf war vorerst gedeckt…
***
Reek Norr bäumte sich auf.
Für ein paar Sekunden schaffte er es, die Fessel des fremden Geistes-Anteils von sich abzustreifen. Aber im nächsten Moment war da nichts, was die Lücke wieder schließen konnte. Das, was ihm genommen worden war, fehlte. So glitt das Bewußtseinsfragment des Allessehenden Drachen wieder in die Lücke zurück, klammerte sich abermals fest.
Der Sauroide hatte die Krallen aus seinen Fingerkuppen ausgefahren. Er hatte tiefe Rillen in Stein gezogen im Moment der inneren Rebellion. Irgend etwas in ihm entsann sich dumpf, daß er über gewaltige Para-Kräfte verfügen mußte. Eine magische Macht, mit der er die Fesseln seines Geistes nahezu mühelos abstreifen konnte.
Doch im nächsten Moment war der Gedanke daran wieder fort, ausgelöscht. Die Chance, frei zu werden, war vertan.
Reek Norr dachte wieder in den Bahnen des Allessehenden Drachen.
Diese Gedankenbahnen zwangen ihn, einen Bericht entgegenzunehmen, den der Priester ihm gab, und über sein Werkzeug Reek Norr erfuhr der Drache in seiner Zwischenwelt sofort, daß der Versuch, jenen Mann mit der blauen und silbernen Kraft zu entführen, fehlgeschlagen war.
»Gebt nicht auf. Findet ihn und bringt ihn her«, donnerte der Allessehende Drache, der über das Versagen seiner Diener alles andere als erfreut war. »Bestraft die Versager!«
Reek Norr gab die Befehle weiter. Mit seiner bildhaften, halbtelepathischen Art der Verständigung konnte er sich dem Priester der Bruderschaft mitteilen, ohne dessen Sprache beherrschen zu müssen, und umgekehrt verstand er auch das, was der Priester ihm mitzuteilen hatte. Verständigungsschwierigkeiten gab es durch diese Fähigkeit des Sauroiden nicht.
»Die Versager wurden bestraft«, erwiderte der Priester und verneigte sich tief vor dem Abgesandten des Drachen. »Sie leben nicht mehr.«
»Narren!« ließ der Drache dem Priester über Reek Norr mitteilen. »Warum habt ihr ihre Lebensenergien verschwendet? Ihr hättet sie mir zum Opfer bringen müssen!«
Unheil schwang in den Bildern mit, die der Sauroide dem Menschen übermittelte. Drohendes Unheil für den Fall, daß abermals ein solcher Fehler begangen wurde. Der Allessehende Drache wurde ungeduldig. Er brauchte die Lebenskraft der Opfer, er wollte endlich die Zwischenwelt des Schattenreiches für immer verlassen können und sich in der steinernen Statue manifestieren. Die Langsamkeit, mit der seine Diener vorgingen, verdroß ihn.
Der Priester begann zu begreifen, daß das Maß voll war.
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