0424 - Der Drachen-Clan
auf das Mädchen auch nicht mehr an…
Die Frage war nur, ob sie damit einverstanden war.
»Ich habe über die letzte Nacht nachgedacht«, sagte sie. »Und ich glaube, ich bin nirgendwo sicher. Du wolltest mich nicht hineinziehen in das, was du tust, aber es ist ohne dein Wollen passiert, und es gibt kein Zurück mehr. Ich begleite dich, Teodore. Bis morgen früh. Danach startet mein Flugzeug, aber bis dahin wissen wir vielleicht mehr über all die Hintergründe. Ich weiß, daß die Gefahr groß ist, aber das ist sie auch, wenn ich mich zurückziehe. Und ich will mich nicht vor Angst irgendwo verkriechen. Sicher bin ich nirgendwo.«
Sie erhob sich und ging zum kleinen Schrank, den sie öffnete. »Außerdem habe ich etwas besorgt - nicht nur das Frühstück«, fuhr sie fort. Als sie sich umwandte, hielt sie eine großkalibrige Pistole in der Hand. »Wenn wir noch einmal überfallen werden, Teodore, werde ich nicht schreiend aus dem Zimmer laufen, sondern schießen.«
»Du bist verrückt«, stieß er hervor. »Wo hast du die Mordmaschine her?«
»Gekauft.«
»Aber bestimmt nicht in einem Waffengeschäft, oder?« fragte er mißtrauisch. Er erhob sich und nahm ihr die Pistole aus der Hand und überprüfte sie. Er kannte das Fabrikat nicht; es schien eine chinesische Waffe zu sein. Sie lag schwer und sicher in seiner Hand, und sie war mit einem Acht-Schuß-Magazin geladen.
Er gab ihr die Pistole zurück. »Hoffentlich hast du einen Waffenschein, und hoffentlich kannst du auch mit dem Ding umgehen.«
»Ich kann es.«
Ted seufzte.
»Na schön«, sagte er. »Dann werde ich mich jetzt mal bei der Polizei melden und mich mit Mister Lee Kwongs Vorgesetztem unterhalten. Wahrscheinlich ist es besser, wenn du hier bleibst…«
»Ich komme mit.«
»Aber nicht mit dieser Pistole in der Tasche!« protestierte er. »Wo willst du die überhaupt verstecken, eh?«
»Wir fahren zu meinem Hotel«, sagte sie. »Ich brauche ohnehin frische Kleidung. Und dann kann ich auch eine Tasche mitnehmen, in der diese Waffe griffbereit verschwindet. Niemand wird sie sehen.«
»Dein Wort in des Glücksdrachen Ohr«, murmelte Ted. »Dann wollen wir mal.«
Ein Taxi fanden sie auf Anhieb. Von denen gab es ein paar Tausend in dieser Stadt.
***
Während Lo Yina sich in ihrem eigenen Hotelzimmer umzog, das sie normalerweise mit einer Kollegin geteilt hätte, die jetzt froh war, es über Nacht allein gehabt und mit einem Partner ungestört geblieben zu sein, ließ Ted sie nicht aus den Augen. Er war so wachsam wie selten zuvor, und als sie schließlich wieder bei dem Taxi standen, das auf Teds Wunsch gewartet hatte, beauftragte er den Fahrer, über Funk einen Kollegen herzubitten.
Ein großzügiges Trinkgeld wechselte den Besitzer, Ted und die Stewardeß stiegen in das zweite Taxi - und wechselten gut zwei Kilometer entfernt wieder um. Ted hoffte, mit diesen überraschenden Manövern eventuelle Verfolger ausgetrickst oder wenigstens verunsichert zu haben. Ganz sicher konnte er sich trotzdem nicht sein.
Sie ließen sich zum Polizeipräsidium fahren. Die Stewardeß, die sich in einen modischen, seidenen Hosenanzug gekleidet und eine große Umhängetasche über die Schulter geworfen hatte, in der die großkalibrige Pistole gut verschwinden konnte, begleitete Ted ins Gebäude. Der Reporter fragte sich zum zuständigen Department-Leiter durch. Er ließ sich nicht abwimmeln und beharrte, Mister Carter Flynn persönlich zu sprechen.
Er hoffte, daß die Hongkong-Polizei nicht stärker von den Triaden unterwandert war, als er eigentlich annehmen mußte. Wenn Flynn ebenfalls zu ihnen gehörte, hatte es keinen Sinn mehr, sich weiter in Gefahr zu begeben - dann half nur noch Flucht, und irgendwie mußte er dann auch Lo Yina in Sicherheit bringen.
Daß es niemanden mehr gab, der sie identifizieren konnte, ahnten sie zu diesem Zeitpunkt beide noch nicht…
Carter Flynn verwischte Teds Bedenken in dem Moment, als sie sich gegenübersaßen. Durch die Vermischung von Asiaten und Briten konnte man auf Namen nicht viel geben, aber Flynn sah dermaßen britisch aus, daß sich in seiner Ahnenreihe nicht einmal der Hauch eines Chinesen befinden konnte. Die Triaden aber achteten sehr darauf, daß nur Chinesen und deren Abkömmlinge in ihren Geheimbünden organisiert waren.
Unwillkürlich atmete Ted auf.
Vermutlich war es hier wie überall — schwarze Schafe brachten den gesamten Beruf in Mißkredit. Man schloß zu leicht von einem kriminellen Mitglied einer
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