0430 - Vampir-Geschwister
bist aber damit auch erpreßbar.«
»Ja, Lady Sarah. Van Akkeren ist ein Killer, ein Mörder, ein Mann ohne Gnade, schlimmer als mancher Dämon. Aber er gehört auch zu den Menschen, die immer ein Ziel verfolgen, wenn sie morden. Deshalb sehe ich für Jane noch eine Chance. Van Akkeren wird sich überlegen, was er mit ihr anstellen kann.«
»Nicht schlecht gedacht«, gab Lady Sarah zu. »Hoffentlich hast du recht damit.«
»Sicher.«
Wir verließen das Dachgeschoß. »Außerdem«, so sagte ich auf der Treppe, »beschäftige ich mich ja auch mit der Templer-Mystik, wenn ich diesen Vampiren auf der Spur bin. Das darfst du ebenfalls nicht vergessen. Ich glaube, wir kommen doch weiter.«
»John«, sagte sie. »Irgendwie sind wir gleich. Auch ich denke so ähnlich.«
»Und jetzt brauche ich noch ein Taxi.«
»Ach ja, dein Wagen. Hast du noch immer keinen neuen?«
»Leider nein.«
»Woran scheitert es?«
Ich rieb Daumen und Zeigefinger gegeneinander. »Keine Zeit«, sagte ich dabei lächelnd.
»Hm!« machte Lady Sarah, die das Zeichen sehr genau verstanden hatte. »Wenn es daran liegen sollte, mein Junge, kann ich dich unterstützen. Du weißt selbst, daß mir jeder meiner drei verstorbenen Männer ein Vermögen hinterlassen hat. Ich kann nicht einmal die Zinsen verleben, deshalb gebe ich auch soviel ab. Ich könnte dir, wenn ich wollte…«
»Immer nur einen Tee machen, liebe Sarah, wenn ich dich mal besuche. Aber mir bitte keinen Wagen kaufen. Dafür muß ich selbst sorgen. Ich würde mich darin nicht wohl fühlen.«
»Wenn du meinst.«
»Es ist mein Ernst.« Ich drehte mich um, nahm den Hörer ab und rief die Taxizentrale an. Man versprach mir, den Wagen sofort zu schicken.
Kaum hatte ich den Burberry übergestreift und mich bei Lady Sarah für die Gastfreundschaft bedankt, als ich das Geräusch des vorfahrenden Autos hörte.
Eine Minute später rauschte ich ab und sah Lady Sarah noch in der offenen Tür stehen und mir nachwinken…
***
Wieder war es Nacht.
Und wieder war es fast stockfinster. Ohne Mondlicht und den fahlen Glanz der Gestirne wirkte die Welt so, als wäre sie in ein dunkelgraues Tintenfaß eingepackt worden.
Noch finsterer war es dort, wo der große Wald begann, der den Namen Wark Forest trug.
Einem Menschen hätte die Finsternis Furcht eingeflößt, doch der Vampir lebte in der Dunkelheit. In ihrem Schutz ging er auf seine grausamen Beutezüge.
Wie der Earl of Luna und seine Schwester Margot.
Jahrhunderte hatten sie sich versteckt gehalten und sich vom Blut der Tiere ernährt. Sie hatten sich nicht getraut, die Menschen anzugreifen, aber irgendwann war die Sperre bei ihnen gebrochen.
Da mußten sie raus!
Sie hatten im Laufe der langen Zeit mehrmals die Plätze gewechselt, waren in Höhlen getaucht und hatten dort gelebt. Auch unter die Wurzeln gewaltiger Bäume waren sie gekrochen, so daß sie regelrecht im Erdreich hockten, aber das alles war ihnen letztendlich zuwider geworden. Ihre wahren Ruhestätten waren Särge!
Und die hatten sie sich auf einem der nächtlichen Streifzüge besorgt und mit in den Wald genommen. Dabei waren sie tatsächlich von Menschen entdeckt worden. Einen Angriff ihrerseits hatten die Menschen abwehren können, weil sie einfach zu schwach gewesen waren, doch nun sollte sich dieses ändern.
Tierblut zu trinken hatte keinen Sinn mehr. Da vergingen sie zwar nicht, aber Kraft schöpften sie auch keine.
Die Geschwister schleppten die beiden Särge dorthin in den Wald, wo er tief und finster war. Dorthin verirrte sich so gut wie nie jemand. Da konnten sie in Ruhe abwarten und von dort aus ihre nächtlichen Streifzüge beginnen.
Aber noch lebten sie in den Särgen. Sie hatten sie hochkant gegen einen Baum gelehnt und mit dem Unterteil gegen einen umgestürzten Stamm geklemmt, so daß sie nicht so leicht kippen konnten.
Ihre Kleidung war im Laufe der langen Jahrhunderte zerfetzt und vermodert. Zwischendurch hatten sie sich neue besorgt, und der uralte Vampir trug sogar Sachen, die einigermaßen modern waren, nämlich einen schwarzen Anzug.
Im Gegensatz zu Margot. Sie hatte sich immer wieder für fahle, weiße Kleider entschieden.
Mittlerweile verbrachten sie schon die fünfte Nacht in den hochkant stehenden Särgen, und die Sucht nach Blut nahm bei beiden stetig zu. Eine Eskalation war unausweichlich.
Die erfolgte auch.
Obwohl sie durch die Särge nicht nach draußen sehen konnten, spürten sie einfach, wann ihre Zeit da war. Wenn sich der Tag neigte,
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