0431 - Grauen der Lüfte
haben mich in ihrem Leichtsinn ein paarmal zu oft bei meinem richtigen Namen genannt. Das haben auch diese Männer in Schwarz mitbekommen.«
»Das - das wußte ich nicht«, sagte Carlotta überrascht. Sie wechselte einen fragenden Blick mit Nicole.
»Teodore ist kein Verbrecher, falls du das denkst. Jene, die sich die Ewigen nennen, trachten ihm nach dem Leben, weil er rechtmäßig Anspruch auf ihren Thron hat. Sie haben schon einige Male versucht, ihn umzubringen. Deshalb tarnt er sich.«
Ted lächelte verloren.
»Und - wie siehst du in Wirklichkeit aus?« fragte Carlotta. Sie musterte ihn prüfend, als sähe sie ihn zum ersten Mal.
»Blond«, sagte Ted. »Und ohne das Bärtchen. Ich bin auch kein Italiener, sondern Deutscher.«
»Für einen Italiener warst du mir von Anfang an etwas zu groß gewachsen«, sagte sie.
»Immerhin ist mein Beruf echt«, sagte Ted. »Ich bin wirklich Reporter. Allerdings arbeite ich nur noch, wenn’s mir wirklich Spaß macht, wenn etwas dahintersteht.«
Carlotta nickte stumm.
»Ich konnte es dir nicht sagen«, versuchte er zu erklären. Seine Stimme klang belegt. »Je weniger davon wissen, um so besser ist es. Die Leute, die bei der Party waren, wissen sich zu wehren und vor Verhören zu schützen. Aber du…«
»Ich habe dir den Tod ins Haus gebracht«, sagte Carlotta.
»Keiner konnte es ahnen. Aber vielleicht zeigt es dir, wie gefährdet ich bin. Jeder kann mein Todfeind sein, dem ich auf der Straße begegne.«
Sie nickte stumm. Das mußte sie wohl erst einmal verarbeiten.
Ted stoppte das Band des Anrufbeantworters, der danach nichts mehr aufgezeichnet hatte. Er spulte wieder zurück und löschte die Aufzeichnung.
»Vielleicht hat derjenige, der eben hier war, nicht an das Telefon gedacht«, sagte Carlotta. »Vielleicht war er aus einem anderen Grund hier.«
Ted sah auf den Teppich vor seinen Füßen. Er schüttelte den Kopf.
Da lag ein kleiner Ascherest, der von der Zigarette des Besuchers abgefallen war.
»Er war hier, wo ich jetzt stehe, und hat garantiert das Band abgehört«, sagte er. »Verdammt noch mal.«
Er wandte sich um.
»Wir müssen also davon ausgehen, daß es noch einen Ewigen hier in Rom gibt. Und der weiß jetzt Bescheid. Jetzt bleibt mir nur das, was ich eigentlich noch ein paar Monate aufschieben wollte, weil ich mich noch nicht dazu bereit fühlte.«
»Und…?« Carlotta sah ihn fragend an.
»Flucht nach vorn«, sagte Ted. »Ich muß nach Ash’Cant und Sara Moon von ihrem Thron hebeln, ehe sie mir ihre Mordkommandos ins Haus schickt.«
***
Im buchstäblich letzten Moment bemerkte Taniquel den heransegelnden Blutsauger. Sie ließ sich flach auf den harten Boden fallen, unmittelbar neben den toten Geliebten. Die vorgestreckten Klauen des fliegenden Ungeheuers verfehlten sie nur um ein paar Zentimeter. Ein Sturmwind brauste über sie hinweg. Dann prallte der Unheimliche, der Taniquel eigentlich zu Boden reißen und seinen eigenen Flug damit stoppen wollte, gegen die halb geöffnete Haustür, wurde hindurchkatapultiert und blieb mit den Schwingen hängen. Er kreischte wild.
Taniquel war vom Grauen erfaßt. Sie hatte nie zuvor ein solches Ungeheuer gesehen. Aber dann wuchs sie über sich hinaus. Sie ließ den Dolch fallen und wand dem toten Geliebten das Schwert aus der Hand.
Sie riß die Waffe hoch, wirbelte sie durch die Luft, und in dem Moment, als das fliegende Ungeheuer rückwärts und mit eingerissenen, blutenden Schwingen aus der Haustür krabbeln wollte, schlug sie zu.
Sie hatte alle Kraft, die sie besaß, in diesen verzweifelten Hieb gelegt. Der Körper des Ungeheuers bot Widerstand. Aber das Schwert durchschnitt zähes Fleisch und leichte Röhrenknochen. Schwarzes, stinkendes Blut spritzte auf, und wo es das Holz der Tür und des Rahmens traf, begann es zu brodeln. Das Ungeheuer kreischte schrill. Taniquel glaubte, ihre Trommelfelle würden zerreißen. Sie zog das Schwert mit beiden Händen zurück und stieß noch einmal zu. Noch tiefer drang die Klinge diesmal in den Körper des Ungeheuers. Spaltete es förmlich auseinander.
Sie sprang zurück, floh vor dem schwarzen Blut, das wie Säure brannte, ehe es verdampfte. Das sterbende Monstrum schlug noch einige Male mit den Schwingen, schwankte und stürzte. Es zuckte haltlos und wurde schließlich still. Nach ein paar Minuten regte es sich nicht mehr.
Taniquel sank in die Knie. Sie fühlte sich schwach und elend. Nur langsam wurde ihr bewußt, was sie getan hatte - sie hatte sich
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