0431 - Grauen der Lüfte
war vorsichtig. So leicht passierte ihm nichts.
Immer näher kam Taniquel der Hütte. Sie sah, daß der vor der Tür liegende Mann ein Schwert in der Hand hatte. Watahs Schwert? Sie glaubte es zu erkennen, aber das diffuse Sternenlicht konnte auch täuschen. Und der Mann war so ausgedörrt, so mager…
Im nächsten Moment war sie bei ihm.
Er mußte schon lange tot sein, so wie er aussah. Eine vertrocknete Mumie.
Aber das lederne Beinkleid, das er trug…
Und sein Gesicht…
»Watah!« stieß sie entsetzt hervor, als sie trotz der eingefallenen Wangen und der über den Knochen spannenden, bleichen Haut seine Gesichtszüge erkannte. »Watah, nein! Das - das ist nicht wahr! Das…«
Da glitt etwas von den nahen Bäumen mit ungeheurer Geschwindigkeit und nahezu lautlos heran.
***
Ted Ewigk fuhr das metallicsilberne Mercedes-Coupé bis dicht an den gesperrten Innenstadtbezirk, ergaunerte sich einen Parkplatz und schloß den Wagen sorgfältig ab. Normalerweise pflegte er ihn mit seinen Dhyarra-Kristall gegen Diebstahl und Einbruch zu sichern; wer sich unbefugt an dem Wagen zu schaffen machte, glaubte einen Zitteraal zu berühren und ließ es daraufhin ganz schnell bleiben…
Aber diesmal war Ted sicher, den Kristall selbst zu brauchen. Er wußte nicht, was ihn in der Wohnung der Ewigen erwartete, und er wollte kein Risiko eingehen. Sein Leben war ihm zu wertvoll.
Vor allem wieder seit dem Moment, da er Carlotta kennengelernt hatte.
Er konnte nicht umhin, sie mit Eva Groote zu vergleichen, seiner ersten großen Liebe, die vor vielen Jahren von einem Dämon ermordet worden war. Er hatte lange gebraucht, um über ihren Verlust hinwegzukommen, und was danach gekommen war, hatte mit Liebe wenig zu tun. Er war mal mit diesem und mal mit jenem Mädchen zusammengewesen, aber zu einer engeren Beziehung hatte es nie gereicht. Man hatte sich immer nach kurzer Zeit ohne gegenseitige Ansprüche wieder getrennt.
Aber diesmal fühlte er anders. Er wollte Carlotta für sich gewinnen, um jeden Preis. Und dazu mußte er vordringlich überleben.
Also behielt er den Dhyarra-Kristall in der Tasche, setzte nur die Diebstahlsicherung in die Kulissenführung des Automatik-Hebels und schloß ab. Wer den Wagen knackte, konnte ihn nun nur noch benutzen, wenn er auch die Sicherung aufbrach. Aber Ted wußte, daß es auch noch genug andere Möglichkeiten gab, einen 100.000-Mark-Mercedes blitzschnell verschwinden zu lassen. Er hoffte, daß der Wagen noch unbeschädigt da stand, wenn sie zurückkehrten.
Die schwarzhaarige Carlotta in ihrem kanariengelben Overall war kaum weniger auffällig als Nicole in ihrem »Kampfanzug«, ihrer schwarzen Lederkluft. Sie hatte Ted auch geraten, eine oder zwei Waffen aus dem Arsenal mitzunehmen. Aber Ted traute sich an die Blaster nicht heran. »Die liegen da seit mehr als tausend Jahren. Vielleicht funktionieren sie schon gar nicht mehr, vielleicht explodieren sie auch beim ersten Schuß. Ich muß sie erst mal in aller Ruhe überprüfen, bevor ich daran denken kann, sie zu benutzen.«
Sie bewegten sich in die abgesperrte Innenstadt hinein. Es lohnte nicht, den Bus zu nehmen, obgleich die römischen öffentlichen Verkehrsmittel zu den preiswertesten und flächendeckendsten gehörten, die Ted jemals in einer Großstadt kennengelernt hatte.
Aber für knapp einen Kilometer lohnte sich das nicht.
Als Ted Rom zu seiner neuen Heimat machte, hatte hier alles noch etwas anders ausgesehen. Damals hätte er noch mit dem Wagen bis vor die gesuchte Haustür fahren können. Aber inzwischen war der Stadtkern für den Individualverkehr gesperrt worden, um das Abgasvolumen zu reduzieren, das die antiken Bauten immer rascher zerfallen ließ; die Restaurierungskosten überstiegen schon längst die finanziellen Möglichkeiten der Stadt, das antike Rom zu erhalten. So hatte man zu dieser unpopulären Maßnahme gegriffen. Nur wer eine Sondergenehmigung hatte, durfte noch mit dem eigenen Auto in die Kernstadt fahren.
Indessen gab es eine Unmenge von Sondergenehmigungen. Böse Zungen behaupteten, es seien mehr Genehmigungen ausgestellt worden als Autos in Rom zugelassen seien. Ganz stimmte das nicht, und immerhin war das Verkehrsaufkommen durch die Sperrung ganz erheblich reduziert worden. Ted hatte auf eine Genehmigung verzichtet; erhielt sich an die Verfügungen. Er war nicht ganz so mit seinem Auto verwachsen wie die Italiener.
Nach einer Weile erreichten sie das Haus. Die Eingangstür stand offen; ein paar Kinder
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