0435 - Das Hexentor
der Tiefe, die Person, die den Tod nicht fürchtete und zurückkehren wollte an die Stelle, an der ihr Platz war.
Sieben Hexen waren es.
Siebenmal Tod.
So schrien und sangen sie. Siebenmal sollte die Verräterin Jane Collins sterben. Jede von ihnen wollte sie töten. Sie mußte in der Hölle schmoren und vergehen.
Niemand würde sie aufnehmen. Ihre Seele sollte zerrissen werden und in Fetzen davonfliegen.
Das Licht der Fackeln zuckte. Es hatte manchmal den Anschein, als würde sich ihr Flackern dem Rhythmus des Gesangs anpassen. So stieg das Feuer mal in die Höhe, um auf dem Boden einen sich bewegenden Kreis zu hinterlassen.
Magie hatte die Herrschaft übernommen.
Urplötzlich, die alte Vorsängerin schrie noch einmal laut auf, da verstummte sie auch.
Blitzschnell lösten sich ihre Hände von denen ihrer beiden Nachbarinnen, sie stand steif, bog den Rücken durch und atmete schnell und hastig. Den anderen Frauen, auch wenn sie jünger waren, erging es ebenso. Sie ruhten sich aus, sie spürten, daß etwas anderes an die Reihe kam, denn sie wollten jetzt einen direkten Kontakt mit der Großen Mutter schaffen.
Die stand vor ihnen.
Eine häßliche Figur. Die Farbe war im Schein des Feuers nicht genau zu erkennen, weil ständig ein Muster aus rotblassem Licht und Schatten über die Gestalt geworfen wurde.
Nur allmählich beruhigte sich ihr Atem. Sie standen noch immer dicht beieinander und schauten einander an.
Junge und Alte befanden sich unter ihnen. Ihre Anführerin, die Älteste im Bunde, war am fanatischsten. Sie wollte endlich Kontakt zur Großen Mutter haben, weil sie schon zu lange gewartet hatte und ihre Lebensuhr nicht mehr lange laufen würde.
Dunkelhaarige, Frauen mit blonden oder braunen Haaren. Sie bildeten ein Gemisch.
Ein häßliches junges Mädchen war ebenfalls dabei. Sie war erst 21 und stand auf kurzen, stämmigen Beinen. Das Gesicht war breit, wies starke männliche Züge auf, und der Damenbart auf ihrer Oberlippe schimmerte wie ein schwarzer Schatten.
Dagegen wirkte die Frau, die neben ihr stand, wie eine Göttin. Von Beruf Mannequin besaß sie einen gut gewachsenen Körper und war so stolz auf ihn, daß er ihr über alles ging.
Das Gesicht zeigte einen weichen Schwung, die Lippen wirkten ein wenig aufgeworfen, man kannte sie nur unter dem Namen Dominique. Mit einem Rennfahrer war sie offiziell verheiratet. Der wußte nichts von ihrer Göttinnen-Verehrung oder hatte es nur nicht zugegeben.
Auch eine dunkelhäutige Frau war vertreten. Sie war knapp über 30, Kreolin und stammte aus der Karibik, wo man sie in die erste Stufe der Voodoo-Zauberei eingeweiht hatte. Auf einer Reise nach Europa hatte sie sich in London abgesetzt und sich dem Hexenzirkel angeschlossen.
Sie hörte auf den Namen Carla. Ihr Körper war gut entwickelt und stand in voller Blüte. Durch ihren mächtig wirkenden Körper lief ein Zittern. Den Kopf hatte sie nach hinten gelegt, das dunkle, gelockte Haar glänzte schweißnaß, und sie sprach Worte in ihrer Heimatsprache, die nur sie verstehen konnte.
Allmählich beruhigten sich die Hexen. Ihr Atem normalisierte sich wieder, sie konnten normal reden, ohne sich anzustrengen, und sie schauten hoch, wo die flammende Henkersschlinge hing, die für die Verräterin gedacht war.
Angesprochen fühlte sich die Älteste, obwohl keine der anderen ein Wort gesagt hatte. Aber Ghislaine sah sich als Vertreterin der Großen Mutter innerhalb des Hexenzirkels an, und sie wollte es den anderen abermals beweisen.
Aus dem Kreis trat sie nach vorn. Starr war ihr Blick auf die Statue gerichtet. Sie, nur sie wollte sie berühren, sie liebkosen, ihr beweisen, daß sie ein dienstbarer Geist war, und auch sie sprach den alten Text, der aus einem Beschwörungsbuch des Mittelalters stammte und damals als geheime Schrift gehandelt worden war.
So trat sie auf die Statue der Großen Mutter zu, streckte ihre Arme aus und berührte sie. Ghislaine drängte ihren Körper gegen die Statue, als wollte sie mit ihr verwachsen. Dabei bewegte sie ihre Lippen, die über den glatten Stein glitten, alles liebkosten. Sie begleitete die Bewegungen mit seufzenden Geräuschen. Sehnsucht und Liebe sollten durch sie dokumentiert werden.
Viele Namen hatte die Große Mutter, denn niemand sollte wissen, um wen es sich handelte. Die meisten Namen waren schon im Altertum geboren worden, denn auch zu dieser Zeit hatte es Menschen gegeben, die der Großen Mutter huldigten.
»So suche ich Aradia. Aradia! Aradia! Um
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