0436 - Im Reich der Kraken-Schlange
können. Also hör auf, mich zu beleidigen, sonst richte ich dir dein Gebiß. Wo ist jetzt deine Seeschlange, dein UFO-Monster?«
»Da!« behauptete Julio und deutete auf den See hinaus. »Schwimm ein paar Runden, dann kommt es vielleicht. Heute nachmittag habe ich vergebens gewartet.«
Seine Sofortbildkamera fiel ihm wieder ein, die er sich geliehen hatte -und die jetzt in Hernandos Bodega lag. Er hatte vergessen, sie wieder mitzunehmen. Was sollte er auch im Dunkeln fotografieren?
Pablo Enric kletterte eine Felskante hinab und ging bis zur Uferkante. Über ihn hinweg leuchteten die Halogenstrahler die Wasseroberfläche aus. Nichts rührte sich.
Julio stand nach wie vor oben und sah über die Fläche.
»Ich glaube nicht an dieses Ungeheuer«, sagte Enric. »Du willst dich nur wichtig machen, muchacho. Oder kannst du das Biest nicht rufen, eh?«
Er wandte sich um, um wieder zum Wagen zurückzukehren.
Da sah Julio die Bewegung auf dem Wasser.
***
Pepe Ferillo suchte die nächste Telefonzelle auf. Professor Zamorra hatte ihn durchaus richtig eingeschätzt -der Reporter versuchte auch aus Kleinigkeiten noch Geld zu machen.
Er telefonierte nach Mexico-City. Seinen Redakteur erwischte er noch in der Schlußredaktion. »Der Knüller mit der Seeschlange und den UFOs geht noch weiter«, behauptete er.
»Wie sieht es mit dem Interview aus?« fragte der Redakteur ungerührt. »Das ist wichtiger als diese Sensationsmeldung. Wann kommt der Text?«
»Sobald ich wieder da bin. Der Wagen hängt mit leerem Tank fest; ich kann, wenn ich hier in Saucillo keine Tankstelle finde, erst morgen weiter. Da lohnt es sich nicht, die Cassette zu schicken…«
»Du hättest sie schon von Juarez aus per Eilboten schicken können, mein lieber Ferillo«, säuselte der Mann am anderen Ende der Telefonleitung.
»Verdammt, ich brauche das Interview morgen spätestens! Eigentlich hatte ich es schon für heute eingeplant!«
»Dann bring meinen Knüller von heute! Der Artikel muß wie eine Bombe eingeschlagen haben. Ich habe mit einem Mann gesprochen, einem gewissen Zamorra, der garantiert ein CIA-Agent ist. Hat ’nen Gringo-Paß, kommt aus El Paso. Er leugnet zwar ab, für einen Dienst zu arbeiten, aber wer sonst sollte Interesse an dem Fall haben? Die Gringos steckten doch ihre Griffel überall ’rein… und der ist jetzt unterwegs nach La Boquilla, um sich den See und das angebliche Monsterchen näher anzusehen…«
»Por dios«, murmelte der Redakteur. »Du glaubst doch nicht im Ernst, daß man aus diesem ausgelutschten Kaugummi noch einmal einen Reißer bringen kann?«
»Sicher kann man. Paß auf, ich diktiere dir kurz ’nen Text, solange mein Kleingeld noch reicht. Mach was draus… streck’s notfalls mit Fotos. Dieser Agent ist mit einem Nissan Patrol unterwegs, dunkelblau, glaube ich, falls ihr da ’ne Bildmontage machen könnt. Also schalte die Aufzeichnung ein…«
»Band läuft.« Mit diesen zwei Worten hatte der Redakteur sein erwachendes Interesse bekundet. Ferillo begann hastig zu diktieren. Er brauchte nicht lange zu überlegen; an Wortwahl und Satzbau würde in der Redaktion ohnehin noch gebastelt werden.
»Sag mal, Pepe, bist du absolut sicher, daß das ein CIA-Mann ist?« erkundigte der Redakteur sich anschließend.
Ferillo sah seine Münzen immer mehr schwinden. »Sicher, Mann! Wenn’s dir zu heiß wird, dann setz ein ›mutmaßlich‹ davor oder so etwas… auf jeden Fall zieht die Angelegenheit ihre Kreise.«
»Na schön, Ferillo. Komm erst mal zurück; wenn an der Sache wirklich etwas dran sein sollte, schicken wir dich wieder hin. Und vergiß nicht zu tanken.«
Die Leitung wurde unterbrochen.
Ferillo grinste und hängte den Hörer ein. Er hatte es mal wieder geschafft, eine neue Sondermeldung zu lancieren. In Gedanken hörte er die Kasse schon klingeln.
***
Eine Schaumkrone bildete sich, breitete sich aus, und dann flog eine Wasserfontäne empor, ein ganzer Schwall…
Das starke Halogenlicht der beiden Scheinwerfer riß die Einzelheiten aus der Düsternis der Nacht.
Erschreckend war die gespenstische Lautlosigkeit des Vorganges. Wasser, das auf so ungestüme Weise aufgewühlt wird, rauscht! Hier aber wurde nicht ein einziger Laut hörbar. Sekundenlang glaubte sich Zantos vor eine Stummfilmleinwand versetzt, und er fragte sich, ob er nicht doch einer Sinnestäuschung unterlag. Denn was er hier erlebte, war einfach unmöglich.
»Es kommt!« schrie er Enric zu. »Paß auf! Es greift an!«
Pablo
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