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0436 - Im Reich der Kraken-Schlange

0436 - Im Reich der Kraken-Schlange

Titel: 0436 - Im Reich der Kraken-Schlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Enric blieb irritiert stehen. Da er ebenfalls nichts hörte, was auf einen Angriff aus dem Wasser hindeutete, glaubte er wohl, Julio wollte sich über ihn lustig machen. Er starrte nach oben, halb geblendet vom hellen Scheinwerferlicht. »Was zum Teufel…«
    »Nun lauf doch schon!« schrie Zantos verzweifelt, der von seinem Standort nichts tun konnte. Aus der Seemitte jagte das Ungeheuer völlig lautlos heran, schob eine gewaltige Wasserwoge vor sich her. Deutlich waren jetzt die Krakenarme zu sehen, an deren Spitzen Schlangenköpfe saßen!
    Es wird das Wasser nicht verlassen, und Enric ist auf dem Land! hoffte Julio. Mit ein paar Schritten war er am Jeep. Beugte sich hinein und hieb auf die Huptaste. Mit dem lauten Hupton wollte er versuchen, das Ungeheuer abzuschrecken, gleichzeitig aber auch durch sein scheinbar verrücktes Tun Enric zu größerer Eile anspornen.
    Es blieb beim Versuch.
    Mit dem Motor hatte Julio auch die Zündung ausgeschaltet, und damit bekam auch die Hupe keinen Strom.
    Im nächsten Moment hatte das Monstrum das steinige Ufer erreicht.
    Ihm voraus schwappte die Wasserwoge und überschüttete Enric mit Nässe. Der sah jetzt endlich, daß etwas nicht stimmte, machte den Fehler, sich umzuwenden, statt vorwärts zu springen, den Hang hinauf, und im nächsten Moment packten die Tentakelarme bereits zu.
    Saugnäpfe krallten sich an ihm fest.
    Er schrie, als die Schlangenköpfe zubissen. Gleichzeitig trat die Bestie aber auch schon den Rückzug an. Ihr langer, riesiger Schlangenkörper bäumte sich auf, und Pablo Enric wurde durch die Luft gewirbelt. Das Monster drehte sich, klatschte wieder auf die Wasseroberfläche zurück, und dann verschwand es mit dem gellend schreienden ›Großwildjäger‹ unter Wasser.
    ***
    Das Hinweisschild auf La Boquilla und den Toronto-See hätte Zamorra fast übersehen. Im letzten Moment stoppte er den Nissan ab und bog nach rechts ab. Dabei hatten sie die Stadt Camargo schon fast ganz durchquert. Sie machte einen kleinen, provinziellen Eindruck, und vermutlich sah sie bei Tag viel häßlicher und schmutziger aus als jetzt, wo die Dunkelheit ihren Mantel über die Straßen legte.
    »Meinst du nicht, daß wir erst einmal hier Quartier suchen sollten?« fragte Nicole. »Wer weiß, ob wir in diesem Kaff etwas finden… außerdem wird es immer später. Wenn wir eintreffen, ist dort doch längst niemand mehr wach…«
    »Die Kneipen werden noch offen haben - und da weiß man nicht nur, wo wir noch Unterkommen können, sondern da gibt’s auch den jüngsten Dorfklatsch, und da diese UFO-Seeschlange auch in der Zeitung gestanden hat, wird man darüber mehr wissen oder zu wissen glauben. Außerdem sind das nicht einmal mehr zehn Kilometer…«
    Dafür war die Straße entschieden schlechter. Die Nebenstrecke wurde weit weniger befahren, also kümmerte man sich auch weit weniger um ihren Zustand. Ein Schlagloch grenzte ans andere. Der Wagen ächzte und knirschte, seine Insassen wurden erheblich durchgeschüttelt, weil Zamorra das bisherige Tempo beizubehalten versuchte.
    »Allmählich beginne ich zu befürchten, daß der allgemeine Pflegezustand der Mietwagen in dieser Region auf den allgemeinen Zustand der Straßen zurückzuführen sein dürfte«, sagte Nicole. »Möglicherweise sehen die anderen Autos ebenso aus - wenn sie alle so in Anspruch genommen werden wie diese Kiste hier.«
    »Die Straßen dürften sich höchstens auf Stoßdämpfer und Radaufhängungen auswirken, nicht aber auf die Zündung«, sagte Zamorra. »Wir sind gleich da - du kannst dein Gebiß schon mal wieder einsetzen.«
    Sie versetzte ihm einen Rippenstoß. »Aua«, protestierte er. »Das ist aktive Körperverletzung, und den Fahrer zu schlagen ist strikt verboten.«
    »Seit wann?«
    Vor ihnen tauchte das Dorf auf. Ein Blick auf die Uhr verriet ihnen, daß es auf die Zehn zuging. Anständige Mexikaner lagen um diese Zeit bereits brav im Bett und schliefen dem nächsten Morgen entgegen - offenbar gab es hier aber eine ganze Menge, die nicht zu dieser Kategorie gehörte. Die Straßenbeleuchtung, sofern es eine gab, brannte zwar nicht mehr, aber hinter einigen Fenstern war noch Lichtschein zu erkennen, und ziemlich in der Mitte des Ortes befand sich eine Bodega, in der noch Stimmung herrschte. Zamorra vernahm, als er den Motor abschaltete und die Tür aufstieß, Gesang und den Klang einer Gitarre. Weder die Saiten noch die Stimme des Vorsängers waren sonderlich gut gestimmt, aber daran nahm niemand Anstoß.

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