0436 - Im Reich der Kraken-Schlange
aufgefallen war, war da sogar schon verständlich - da war das grausige Geschehen noch überraschender gekommen, hatte ihn noch viel stärker in seinen Bann geschlagen. Außerdem war es heller Tag gewesen, die optischen Eindrücke hatten alles andere überlagert. Jetzt, bei Dunkelheit, war es leichter möglich, auf Geräusche zu achten.
So unerklärlich die Existenz dieses Mischwesens war, so unerklärlicher war auch seine Fähigkeit, Geräusche gewissermaßen zurückzuhalten und erst später ›freizusetzen‹.
Und Enric war tot…
Enric, den Zantos vorher noch förmlich provoziert hatte, gleich jetzt in der Dunkelheit zum Wasserfall hinaus zu fahren. »Hätte ich doch meine Klappe gehalten«, murmelte Zantos.
Was sollte er jetzt tun?
Es gab nichts mehr, womit er Enric noch helfen konnte.
Zantos startete den Motor des Wagens, wendete vorsichtig und fuhr dann zurück in Richtung La Boquilla. Die Halogenscheinwerfer auf dem Dach schaltete er aus. Er fuhr langsam und vorsichtig, weil er es nicht gewohnt war, ein Auto zu lenken. Er hatte es zwar mal gelernt, aber das war schon ein paar Jahre her, und er hatte vieles wieder vergessen, was jetzt nur langsam wieder in sein Gedächtnis zurückkehrte. Aber schlecht fahren war besser als gut laufen - und Enric würde seinen Wagen nie wieder brauchen.
***
Nicole nippte an ihrem Glas, zuckte leicht zusammen, als sie schluckte, und setzte es dann wieder ab. Langsam drehte sie sich zur Tür um. Auch Zamorra sah in die Richtung, aus der der Windzug kam.
Die Stille wirkte bedrückend und unheimlich.
»Er ist tot«, sagte der Fremde leise, und trotzdem war es in der Stille, als würde er laut schreien. »Es hat ihn gefressen. Wie gestern die beiden Mädchen.«
Die Stille dauerte an, bis Hernando sie durchbrach. »Komm, trink einen Schluck«, bot er an. »Und zügle dich ein wenig.«
Langsam schritt der Fremde vorwärts, bis er die Theke erreichte. Hernando schenkte ein. Der Fremde warf einen Blick auf die etikettlose Flasche und schüttelte den Kopf. »Nicht deinen Selbstgebrannten Methylalkohol«, sagte er. »Einen ganz normalen Tequila.«
Augenblicke später stand die ganze Flasche vor ihm auf der Theke.
Nicole, die ein zweites Mal an ihrem Glas genippt hatte, lächelte. Sie beschlagnahmte das Glas des Neuankömmlings einfach, das er verschmäht hatte, und trank bedächtig. »Ein guter Stoff, Señor Hernando«, sagte sie. »Den brennen Sie wirklich selbst?«
»Nicht Señor, nur einfach Hernando«, erwiderte der Wirt. »Ja, aber kaum einer von diesen Barbaren weiß es zu schätzen. - Was ist passiert, Julio?«
»Es hat ihn gefressen«, wiederholte Julio dumpf und trank seinen Tequila. »Hat ihn einfach geschnappt und in den See gerissen. Danach war wieder Blut im Wasser. Ich… ich konnte es nicht verhindern. Ich bin schuld. Ich hätte ihn nicht dorthin bringen sollen.«
»Was war los? Geht es um diese UFO-Seeschlange?« fragte Zamorra.
Julio hob den Kopf. »Bist du auch einer von diesen Geschäftemachern, die durch den hirnrissigen Zeitungsartikel angelockt worden sind? Verschwinde…!«
Zamorra schüttelte den Kopf. »Kein Geschäftemacher. Ich bin Forscher, Wissenschaftler. Ich befasse mich mit übersinlichen und unerklärlichen Geschehnissen. Und diese Story scheint genau in mein Gebiet zu passen.«
Julio schüttelte den Kopf. »Verschwinde. Oder halte dich wenigstens von dem See fern.«
Zamorra stellte Nicole und sich vor. »Bitte, Señor, erzählen Sie mir etwas. Haben Sie das sogenannte Ungeheuer gesehen? Was ist geschehen? Was ist an diesem Zeitungsartikel dran? Viel kann es nicht sein«, warf er schnell ein, als er sah, daß Julio aufbrausen wollte.
»Daß das Foto vom Loch Ness stammt, wissen wir ja wohl beide. Aber mich interessieren nicht die Zeitungs-Halbwahrheiten, sondern die wirklichen Dinge. Und Sie sehen aus, als könnten Sie mir mehr darüber erzählen.«
Julio schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte er. »Einer reicht, den ich auf dem Gewissen habe.«
»Wie, hast du ihn umgebracht, Julio?« fragte der Mann, der seine Gitarre beiseite gestellt hatte.
»Das Monster hat ihn umgebracht.«
»Aber du hast ganz nett gedroht, als ihr noch hier wart«, sagte der Gitarrenspieler.
Julio winkte ab und schenkte sich einen neuen Drink ein. »Hernando, ruf die Polizei an. Mejia soll herkommen. Er muß wissen, daß dieser Fremde tot ist. Vielleicht wird er jetzt vernünftig und sorgt dafür, daß der See abgesperrt wird. Und daß Jagd auf die Bestie
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