0436 - Sie müssen sterben, Mr. High!
hat er den Dollar irgend jemand für mich gegeben. Ich möchte wissen, mit wem er gesprochen hat. Haben Sie ihn nicht gesehen?« Mit diesem Märchen vom verliehenen Dollar hoffte sie die Neugierde derer zu befriedigen, die sich wunderten, daß sie Blick-Blacks letzten Stunden nachforschte. Bei den meisten Leuten gelang es ihr auch. Aber alle Antworten, die sie erhielt, bezogen sich auf gelegentliche Zusammentreffen mit dem alten Mann, die schon zwei oder noch mehr Tage zurücklagen. Es schien ihr mit der Zeit, als ob es Blick Huller gelungen sei, die letzten Stunden seinem Lebens spurlos zu verbringen. Dennoch gab sie nicht so leicht auf. Und endlich hatte sie auch einen bemerkenswerten Erfolg.
Das war, als sie auf den Hof der Sonderschule für hörbehinderte Kinder einbog. Ein paar halbwüchsige Burschen von fünfzehn oder sechzehn Jahren tobten dort mit einem alten Fußball herum. An den Stangen eines Klettergerüstes lehnte lässig Biddy Molderey, der Anführer einer Bande von Jungen, die sich die ›Gelben Tiger‹ nannten. Ann Forth kannte ihn gut, denn er wohnte ganz in ihrer Nachbarschaft. Sie schlenderte zu ihm hin, hockte sich auf die niedrigste Querstange des bunt bemalten Klettergerüstes und sagte:
»Hey, Öiddy!«
Der blonde, sechzehnjährige Junge nickte kaum merklich, während er ihren knappen Gruß erwiderte. Er trug eine blaue Farmerhose mit umgekrempelten Hosenbeinen, ein schreiend bunt kariertes Baumwollhemd und darüber eine hüftkurze, mit künstlichem Pelz besetzte Nylonjoppe, wie sie aus alten Luftwaffenbeständen gelegentlich zum Verkauf angeboten wurden.
»Hör mal, Biddy«, sagte Ann nach einer Weile, in der sie schweigend dem Toben der Jungen zugesehen hatten, »du könntest mir einen Gefallen tun.«
»Ausgeschlossen«, erwiderte der Junge. »Ich bin selber abgebrannt. Daddy hat mir das Taschengeld für eine Woche gesperrt, weil ich bei der letzten Arbeit in Algebra danebengehauen habe.«
»Ich will doch kein Geld von dir.«
»Was sonst?«
»Du sollst mir helfen, zu einem Dollar zu kommen.«
»Mann! Wenn ich wüßte, woher ich einen Buck kriegen könnte, würde ich ihn mir selber holen.«
»Ich habe Blick-Black gestern einen Dollar geliehen. Er wollte ihn mir heute zurückgeben.«
Der Junge stieß die Luft durch die Nase aus, so daß es ein schnaufendes Geräusch gab.
»Puh! Blick ist tot. Wie soll dir ein Toter einen Dollar geben, he?«
»Vielleicht hat er ihn schon irgendwo für mich deponiert. Du kennst doch Blick-Black. Wenn er mal zu Geld kam, drückte er dem nächsten zuverlässigen Menschen, den er kannte, das Geld für seine Schulden in die Hand und sagte ihm, wem er ,das Geld geben sollte. Er kannte sich- ja schließlich selber. In seinen Hosentaschen hielt sich Geld doch nie länger als bis zur nächsten Theke.«
»Stimmt. Das war seine Art. Es könnte sein, daß er irgendwem hier in der Straße deinen Dollar anvertraut hat. Die Frage ist nur: wem?«
Ann Forth nickte befriedigt.
»Jetzt hast du kapiert, auf was es ankommt«, sagte sie. »Wir müssen herauskriegen, mit wem Blick gesprochen hat, bevor er umgebracht wurde. Ich will meinen Dollar haben. Wenn du mir hilfst, sollst du die Hälfte haben.«
»Wenn man so abgebrannt ist wie ich, sind fünfzig Cent allerhand Geld. Warte mal!«
Er schob zwei Finger in den Mund und stieß einen scharfen Pfiff aus. Augenblicklich unterbrachen die Jungen ihr Fußballspiel und blickten fragend auf ihren jungen Anführer.
»Kommt mal her, Jungs!« rief Biddy, und wenig später hatten sich die Burschen versammelt. Fast alle trugen auf dem Rücken ihrer Lederjacken einen aufgepinselten gelben Tiger. Biddy setzte ihnen kurz und präzise auseinander, um was es ging.
»Also«, schloß er, »ich möchte, daß ihr die Ohren aufsperrt, wenn irgendwo von Blick-Black gesprochen wird. Ich will wissen, mit wem er heute zusammengekommen ist. Klar? Hat ihn zufällig jemand von euch gesehen?«
»Ich sah ihn heute früh gegen elf, als wir in der Schule gerade Pause hatten«, meinte ein kleiner, sommersprossiger Junge. »Er strolchte an der Schule vorbei.«
»War er allein?« erkundigte sich Ann Forth.
»Ja.«
»Das nützt mir nichts«, kaute Biddy zwischen den ewig mahlenden Kiefern hervor. »Hat ihn sonst noch jemand gesehen?«
»Ich!« ließ sich ein hagerer, schlaksiger junger Bursche vernehmen, der eine schwarze Hornbrille trug, die ihn auf den ersten Blick älter wirken ließ als er war.
»Wann hast du ihn gesehen?« kaute Biddy
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