0436 - Sie müssen sterben, Mr. High!
»Bevor Sie diesen Unfall damit hatten oder hinterher?«
Ryer lief rot an.
»Ich hatte keinen Unfall mit dem Buick!« behauptete er lautstark. »Ich bin versehentlich gegen die Ecke der Garage damit gefahren. Das war alles.«
»Aha«, sagte ich vieldeutig. »Ich möchte mir mal das Zimmer von diesem Loop Gaier ansehen. Wo liegt es genau?«
»Eine Etage höher, den Flur lang, letzte Tür rechts.«
Ich nickte und verließ das Zimmer. Zwei Minuten später stand ich vor der bezeichneten Tür. Ich hatte schon die Hand auf die Türklinke gelegt, als ich plötzlich ein leichtes Geräusch vernahm. Ich drückte ein Ohr gegen den Türspalt und lauschte. Da war es wieder. Ein leichtes Geräusch, irgendwie knisternd, aber nicht zu definieren. Ich zog die Smith & Wesson aus der Schulterhalfter, schob den Sicherungsflügel zurück und lauschte noch einmal. Das Geräusch wiederholte sich rasch hintereinander vier- oder fünfmal.
Ich holte tief Luft. Dann riß ich mit einem Ruck die Tür auf.
***
Walter G. Ross sah sich noch einmal nachdenklich den Zettel an, auf dem ihm seine Zimmervermieterin aufgeschrieben hatte, daß Ann Forth sich nach ihm erkundigt hatte. Ann Forth, dachte er immer wieder, Ann Forth? Wer, zum Henker, ist Ann Forth?
Es war gegen Mitternacht, als er leise sein Zimmer verließ. Aus dem Wohnraum von Lee Anderson konnte man das auf voller Lautstärke laufende Fernsehgerät hören: Hufgeklapper und Schüsse mischten sich mit dem wilden Geschrei angreifender Indianer zu einer Lärmorgie, die durchs ganze Haus dröhnte. Aber Lee Anderson war die Hauseigentümerin, und wer sollte es ihr also schon verbieten?
Ross war froh, daß ein solcher Radau herrschte. Er ermöglichte es ihm, aus dem Hause hinauszukommen, ohne daß die neugierige Anderson ihn abfangen konnte. Draußen rückte er sich den Hut zurecht und zog prüfend die Luft ein. Noch immer herrschte eine drückende Schwüle, aber ein Gewitter konnte nicht mehr allzu fern sein, denn es regte sich nicht der leiseste Windhauch.
Ross ging die Straße in Richtung East River hinab. An der nächsten Kneipe zögerte er Qin paar Sekunden, aber dann ging er doch hinein und setzte sich in eine Ecke, wo die Beleuchtung nicht eben prunkvoll war. Ein müder, grauhaariger Kellner schlurfte heran und erkundigte sich nach seinen Wünschen. Ross bestellte ein holländisches Bier. Als es gebracht wurde, wickelte er sich umständlich eine Fünf-Dollar-Note um den ausgestreckten, linken Zeigefinger.
»Sie kennen sich hier in der Gegend sicher ein bißchen aus, was?« murmelte er leise.
»Klar, Chef«, erwiderte der Kellner und besah sich das Geldscheinröllchen an Ross' Zeigefinger. »Suchen Sie wen?«
»Stimmt, ja«, bestätigte Ross. »Ich suche ein Mädchen. Soll ihr Grüße ausrichten von einem Freund.«
»Wohnt sie hier in der Gegend?«
»Ja. Ich glaube. Leider weiß ich nicht genau, wo. Aber sie heißt Forth, Ann Forth. Sie haben den Namen nicht zufällig mal gehört?«
Der Kellner machte eine geringschätzige Handbewegung.
»Klar. Die kennt hier oben jeder. Taugt nicht viel, das Mädchen. Treibt sich meistens so in der Gegend ‘rum, immer auf Ausschau nach einer Chance, an einen Dollar zu kommen.«
Ross stellte das Fünf-Dollar-Röllchen ein wenig näher zu dem Kellner hin.
»Die Adresse wissen Sie wohl nicht — oder?«
»Aber sicher doch. New York ist doch keine Großstadt, Sir, das denken bloß die Fremden. New York besteht aus ein paar tausend Dörfern. Zwei, drei Straßenzüge oder auch nur ein paar Blocks, das ist wie ein Dorf, wo jeder jeden kennt. Ich will nicht sagen, daß es weiter unten in der Downtown nicht anders ist, wo die Wolkenkratzer stehen. Da kann man sich ja nicht kennen. Aber je weiter Sie ‘rauf nach Norden kommen, in die ärmeren Gegenden, Sir, da fangen die Dörfer an. Die Forths wohnten früher in der Zweiten Avenue. Als der Alte noch nicht so ein alkoholsüchtiger Kerl war. Jetzt hausen sie in einer dieser verrotteten Bruchbuden eines Hinterhofs, und auch noch im Keller. Man weiß nicht, ob der alte Forth Säuft, weil ihm die Frau durchgebrannt ist, oder ob sie durchgebrannt ist, weil er säuft.«
»Wo liegt dieser Hof? Zu welcher Hausnummer welcher Straße gehört er?« .
»Tja, Sir, die Hausnummer kann ich nicht sagen. Weiß gar nicht, ob überhaupt eine Hausnummer daran steht Aber ich kann Ihnen beschreiben, wie Sie hinkommen…«
Umständlich setzte ihm der grauhaarige Kellner auseinander, wie Ross von dieser Kneipe aus
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