0436 - Tanz auf dem Scheiterhaufen
Figuren, denn Blut ist Lebenssaft, und ihr Blut sollte den anderen das Leben geben.
Es klatschte gegen die noch toten Gestalten, rieselte über ihre Köpfe, an den noch unfertigen Gesichtern entlang und hinterließ dunkle Streifen.
»Das Blut der Großen Mutter!« keuchte die Alte. »Ich habe es getrunken. Ich lebe und gebe Leben weiter an die tote Welt. Ich bin die Lebensmacherin!«
Das gefiel Suko nun überhaupt nicht. Er wollte sie schon stoppen, als er hinter sich ein Geräusch vernahm, als würde Stein gegen Stein schaben.
Blitzschnell fuhr er herum.
Die Gestalt mit dem schon weißen Gesicht hatte sich bewegt, und sie streckte bereits ihre klumpenförmig wirkenden Hände nach dem Inspektor aus…
***
Es roch nach Erbrochenem, nach menschlichen Ausdünstungen, nach Fäkalien, feuchtem Stroh und nach Blut.
Der typische Geruch einer alten Folterkammer oder eines Verlieses, was in diesem Falle das gleiche war.
Das kannten die Eingeschlossenen vielleicht aus Büchern, die sie mal in ihrer Jugend gelesen hatten, aber es am eigenen Leibe zu erfahren und selbst zu erleben, war ihnen neu.
Noch jetzt rätselten sie darüber nach, wie es zu diesem Zustand hatte kommen können. Keiner von ihnen konnte es dem anderen begreiflich machen.
Sie waren normal gefahren, hatten in ihren Wagen gesessen, und plötzlich war aus der Straße gewissermaßen ein Weg in die Hölle geworden, zumindest hinein in ein feuerbestücktes Maul, das weit aufgerissen war und Mensch sowie Fahrzeug verschluckte.
Sie waren in die Tiefe gejagt, hatten keine Grenzen und Einschränkungen mehr erlebt, bis zu einem plötzlichen Erwachen.
Manche hatten sich noch in den Fahrzeugen wiedergefunden. Unverletzt natürlich. Andere lagen auf Wegen oder Pisten, auch neben ihnen, auf freiem Gelände.
Und niemandem war ein Haar gekrümmt worden.
Bis die Reiter kamen.
Schreckliche Gestalten mit bleichen Gesichtern, Lassos und Peitschen. Sie hatten die Menschen eingesammelt wie reifes Fallobst und hatten sie durch ein großes Tor getrieben.
Dieses Tor kannten sie.
Mit ihren Fahrzeugen waren sie hindurchgejagt, nur war es beim erstenmal mit Feuer gefüllt gewesen, wobei hinter dem Flammenvorhang das schreckliche Gesicht gelauert hatte.
Zeit war vergangen, bevor sie sich wieder einigermaßen zurechtgefunden hatten.
Sie waren zu siebt!
Vier Männer und drei Frauen.
Ihnen allen standen der Schock und die Angst in den Gesichtern geschrieben. Keiner von ihnen konnte sagen, wie es denn jetzt weitergehen würde.
So warteten sie ab.
Es war nicht finster. Vielleicht wäre ihnen die Dunkelheit lieber gewesen, so aber blieb ihnen der Anblick der feuchten dicken Mauern, des fauligen Strohs und der beiden vergitterten Fenster nicht erspart. Zwischen ihnen steckten auch die Fackeln. Blakendes Feuer, das ein rötliches, manchmal auch schwarz wirkendes Licht verbreitete und sich über die Gesichter der Gefangenen ebenso legte wie über den Boden oder fast lautlos an den Mauern hochturnte.
Ein noch junger Mann stand plötzlich auf. Es war ein Jeanstyp, sehr schlank, beinahe knochig. Das Haar hatte er zu einer Afro-Wolle gelockt, die Brille auf seiner Nase war verrutscht. Als er sich drehte, blinkte im linken Ohrläppchen ein Stein.
»Was ist das denn für eine Scheiße!« schrie er, rannte zu der dicken Bohlentür und hämmerte mit beiden Fäusten dagegen. Aus seinem Fluchen wurde plötzlich ein Schrei, weil er in einen leicht vorstehenden Nagel gedroschen hatte.
Er preßte den Handballen gegen die Lippen und saugte das hervorströmende Blut auf.
»Setz dich wieder hin!« sagte ein anderer, der in seinem Nadelstreifen-Anzug noch stärker deplaziert wirkte.
Der Junge warf ihm einen kalten Blick zu und verkroch sich in eine Ecke, wo er anfing leise zu beten, dabei aber Texte in einer fremden Sprache aufsagte.
Aus dem gesprochenen Wort wurde ein Singsang, der einen fernöstlichen Klang bekam.
Ihm gegenüber hockte ein Ehepaar. Sie lag mehr auf dem Boden und hatte ihren Kopf auf den Oberschenkel des Mannes gelegt, der automatisch über das Haar seiner Frau strich und dabei ins Leere starrte. Beide wurden vom flackernden Licht einer Fackel übergossen.
»Sag ihm, er soll aufhören, Harry.«
»Wie?«
»Ich will seinen Gesang nicht mehr hören.«
»Laß ihn doch!«
»Nein.« Die Stimme klang schon schrill.
Der Mann im Nadelstreifen-Anzug mischte sich ein. »Ich werde das übernehmen, Madam.«
»Danke.«
»Hör auf, du ausgeflippte Gestalt!«
Der junge Mann
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