0438 - Schlangenhand
das Licht der Sterne daran die Schuld trug oder ob er von selbst das Blinken abgab, wußte Jorge nicht, aber dieser Gegenstand, den er vor seinem schrecklichen Erlebnis nicht gesehen hatte, interessierte ihn sehr.
Deshalb stand er auf und ging zu ihm. Seine Knie waren noch wacklig, die Schritte bereiteten ihm Mühe, und mit den Turnschuhen schleifte er durch den Sand.
Er kämpfte gegen den Schwindel an, der ihm beim Bücken befiel, schloß die Augen, riß sie wieder auf, griff nach dem Gegenstand und schloß die Faust darum.
Erst als er wieder auf dem Felsen saß, sah er sich das Fundstück genauer an.
Es bestand aus Stein. Das Material hatte fast die gleiche Farbe oder das gleiche Aussehen wie die Gestalt, die er unter Wasser gesehen hatte.
Als Grundfarbe ein intensives Grün, dazwischen aber mit bräunlichen Einschlüssen versehen.
Die Form war oval. Das Fundstück ragte ein wenig über die Handfläche des Jungen hinaus. Es lag mit seiner unteren Seite auf dem Ballen und berührte mit der oberen die Stellen, wo die Finger begannen.
Jorge drehte den Stein um.
Überrascht riß er die Augen auf, als er das Motiv auf dieser Seite erkannte. Dabei schüttelte er ungläubig den Kopf, weil er es nicht begreifen konnte.
In das Fundstück war genau das Abbild jenes Monsters eingraviert, das er in der Tiefe gesehen hatte. Diesen Unheimlichen mit der Schlangenhand.
Sogar jede einzelne Schlange konnte er erkennen, denn der Mann hielt den Arm ausgestreckt.
Er schüttelte den Kopf. Seine Lippen bewegten sich, formulierten die leisen Worte: »Das gibt es doch nicht.« Hatte dieser Kerl ihm ein Andenken hinterlassen? Wenn ja, wofür?
Jorge strich über seine Stirn. Er war intelligent und konnte Zusammenhänge erfassen. Dabei gelangte er zu dem Schluß, daß ihn der Unheimliche nicht zufällig wieder freigelassen hatte. Dieser amulettartige Gegenstand mußte eine bestimmte Bedeutung haben.
Und zwar für ihn.
Er hatte mit dem Gedanken gespielt, ihn wegzuschleudern, jetzt aber behielt er ihn, und dabei zuckte ein Lächeln über seine Lippen. Jorge erinnerte sich an die Geschichte mit dem Flaschengeist, der auch von einem Jungen gefunden worden war.
So ähnlich war es ihm ebenfalls ergangen. Vielleicht gab ihm dieses Amulett die Chance, noch einmal reich zu werden.
Möglich war alles…
Und dann hörte er die Stimme. Jorge erschrak so sehr, daß er sich sofort duckte, den Kopf drehte und die nähere Umgebung absuchte, um den Sprecher zu finden.
Er sah ihn nicht.
Wenn es ihn tatsächlich gab, mußte er sich hinter den Dünen oder einem Felsen verborgen halten.
»Du hast das Amulett gefunden, das sollte so sein. Vergiß nie, daß du in meiner Schuld stehst, Junge. Vergiß es nie…« Die Stimme war mit dem Raunen des Windes zu vergleichen, nur konnte er nicht feststellen, aus welch einer Eichtung sie an seine Ohren drang.
Sie war einfach da.
Jorge ging keinen Schritt mehr weiter, blieb stehen und hob den Kopf an, so daß er in den Nachthimmel blickte. »Wer… bist du?« fragte er mit leiser Stimme.
»Jetzt dein Freund, wie ich hoffe…«
»Aber du bist kein Mensch…«
»Doch, ich war einer. Kennst du nicht die Geschichte von Vasco, dem Verfluchten?«
Jorge nickte zögernd. »Ja, ich habe davon gehört. Aber man nennt dich auch den Abtrünnigen.«
»Das stimmt. Ich wurde meinem Glauben abtrünnig. Ich habe ihn sogar verraten.«
»Schaffte man dich nicht aufs Meer hinaus?«
»Auch das stimmt.«
»Dann mußt du schon lange tot sein.«
Jorge hörte ein Lachen. »Nicht alles ist tot, von dem die Menschen annehmen, daß sie es vernichtet haben. Vieles lebt weiter und kehrt erstarkt zurück.«
Jorge hörte die Worte zwar, nur begriff er ihren Sinn nicht so recht. Doch ihm war klar, daß dieser Vasco ihn nicht töten, sondern leiten würde. Er war sein Lebensretter, auch wenn er den Jungen selbst in diese gefährliche Lage gebracht hatte.
Dafür verlangte er Dankbarkeit.
Jorge überlegte und drehte das Amulett zwischen den Fingern. Als er abermals die Stimme hörte, wußte er, woher sie kam. Aus dem gefundenen Amulett.
Der Junge erschrak so sehr darüber, daß er sein Fundstück fallen ließ und augenblicklich die ärgerliche Stimme vernahm. »Weshalb hast du es weggeworfen? Willst du, daß ich meinen Zorn auf dich ablade?«
»Es war ein Versehen.«
»Heb es auf - sofort!«
Jorge nickte. »Natürlich.« Er bückte sich und nahm das Fundstück wieder an sich. Ein paarmal schluckte er, bevor er eine weitere
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