0438 - Schlangenhand
Geheimnis bergen. Hafenspelunken sind oft von einem gewissen Flair umgeben, das sich auch auf die Gäste abfärbte.
Wir tranken gemeinsam. Der Wirt beobachtete uns, während er aus einem Faß Wein in Krüge laufen ließ. Hinter uns hockten die Gäste. Leider gab es keinen Spiegel hinter der Theke, so daß wir sie nur hören, aber nicht sehen konnten. Sie unterhielten sich wieder. Mir kam es vor, als würden sie mit wesentlich gedämpfteren Stimmen sprechen.
Ich stellte die für uns zunächst wichtige Frage. »Wer hat die Toten in diese Kneipe geschafft?«
»Das mußt du Diaz fragen.«
»Und wer ist das?« fragte ich.
»Er steht hinter dir.«
Ich drehte mich um. Suko behielt den Wirt im Auge. Die Männer rührten sich nicht. Sie saßen auf ihren Plätzen und grinsten. »Wer von euch ist Senhor Diaz?«
An einem Tisch, der nicht weit von den beiden Toten entfernt stand, erhob sich ein Mann. Auch er hätte vom Aussehen her an Deck eines jeden Piratenschiffes gepaßt. Ein finster aussehender Mann mit dunklen Haaren, einem ebenfalls schwarzen Bart und stechenden Augen. Er trug eine alte Offiziersjacke, deren Farbe schon nicht mehr zu erkennen war, und die vor seiner Brust offenstand. Das Hemd darunter war ebenfalls aufgeknöpft, die Beine der blauen Hose hatten einen weiten Schlag.
»Was willst du von mir?«
»Ich heiße Sinclair.«
»Schotte?«
»Nein, Engländer.«
Er winkte ab. »Ich mag beide nicht.«
»Das ist deine persönliche Sache.«
»Hoffentlich magst du Chinesen«, meldete sich Suko.
»Schlitzaugen sind mir ebenfalls zuwider«, sagte Diaz, als er näher kam und vor uns stehenblieb. Er musterte Suko und mich mit Blicken, die kalt und abschätzend waren. Vielleicht sollten sie auch provozieren, doch wir blieben gelassen.
»Die Toten«, sagte Suko. »Ist es nicht ungewöhnlich, daß man sich zwei, Leichen in eine Kneipe stellt?«
»Ja.«
»Dann möchten wir gern die Erklärung haben. Man hat uns hierhergebracht, auch diesen Grund wissen wir nicht. Was ist los? Was sollen wir hier, und auch die Toten sind…«
»Man braucht sie.«
»Für wen?«
Diaz lachte grölend. »Habt ihr wirklich noch nichts von ihm gehört, ihr beiden?«
»Nein.«
Diaz schnickte mit den Finger. Ihm wurde ein großes Glas Schnaps gereicht. »Es ist Vasco, der Verfluchte.«
Ich kombinierte schnell. »Der Mann mit der Schlangenhand?«
Diaz trank und lachte gleichzeitig. »Richtig. Oder fast richtig. Ich würde sagen, das ist der Mönch mit der Schlangenhand. Versteht ihr? Der Mönch mit der Schlangenhand.«
»Und der lebt?«
»Klar. Viele hier kennen ihn. Sie wissen, daß er verflucht ist und keine Ruhe findet. Er geistert umher. Manchmal zeigt er sich. Hin und wieder holt er sich auch seine Opfer. Er ist ein Freund der Hölle. Früher war er ein Mönch, der auf den Schiffen fuhr und den Seeleuten seinen Segen gab. Aber heute ist er eine zur Tatsache gewordene Legende. Wir lieben ihn, unseren Vasco. Wir müssen ihn lieben, denn er hat sich unser Schiff ausgesucht.«
Ich schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, aber ich verstehe das alles nicht so recht.«
Diaz hob die breiten Schultern. »Willst du das wirklich verstehen?«
»Ja.«
Diaz grinste uns an. »Ich glaube, ihr beide würdet wahnsinnig werden.«
»Das möchte ich dahingestellt sein lassen. Aber uns interessiert noch etwas anderes. Wer ist der Kapitän des Schiffes?«
Diaz lachte. »Ich habe das Kommando übernommen.«
»Aber das Schiff gehört dir nicht?«
»Richtig.«
»Kennst du seinen Besitzer?«
»Vielleicht.« Er blickte mir lauernd ins Gesicht.
»Könnte das vielleicht ein gewisser Vincent van Akkeren sein?« fragte ich nach.
»Ja, so heißt er.«
»Habt ihr ihn schon gesehen?«
»Wir haben viele im Laufe der Zeit kommen und gehen gesehen«, erhielten wir zur Antwort.
Ich begriff die Erwiderung nicht ganz und fragte, was das zu bedeuten hatte.
Er winkte ab. »Ihr seid verloren. Es gibt Personen, die dürfen nicht zuviel wissen. Ihr gehört dazu.«
»Und was ist mit den Toten?«
»Wir haben sie verwahrt.«
Die Lage wurde immer verworrener. Da wurde von einem geheimnisvollen Vasco gesprochen, einem Mönch, der sich möglicherweise dem Teufel verschrieben hatte. Vor mir stand Diaz, der nur unvollständige Antworten gab, aber einen sehr sicheren Eindruck machte.
Die Kaschemme gefiel mir ebenfalls nicht. Sie war sehr alt, das konnte man sehen. Aus ihren Mauern strömte ein bestimmter Geist, der mich alarmiert hatte. Ich wurde das Gefühl
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