0440 - Odins Raben
einen von der lebensgefährlichen Art…
***
Zamorra und Nicole sahen sich an.
»Merlin…?« stieß der Parapsychologe hervor.
»Raffael hat eine eigenartigen Humor entwickelt«, sagte Nicole. »Eine Schaufensterpuppe wie Merlin auszustaffieren und neben den Frühstückstisch zu stellen, na, ich weiß nicht, ob ich das noch gut finden kann…«
Die Schaufensterpuppe bewegte sich und bewies damit, daß sie keine war, sondern ein Wesen aus Fleisch und Blut!
»Mein dunkler Bruder war nicht weniger überrascht als ihr jetzt«, sagte Merlin. Er mußte es einfach sein; es war keine Täuschung möglich. Allein seine Augen, in denen die Weisheit eines ungeheuren Alters und trotzdem das Feuer der Jugend sich vereinten, verrieten ihn. Weiß war sein Haar, weiß der länge Bart, weiß auch das Gewand, das bis zum Boden reichte und von einer goldenen Kordel gegürtet wurde, hinter der eine ebenfalls goldene Sichel steckte, das rituelle Werkzeug der Druiden. Ein blutroter Schulterumhang vervollständigte Merlins Erscheinung.
»Du bist es wirklich«, murmelte Zamorra.
»Natürlich bin ich es wirklich«, sagte Merlin. »Ich bin gekommen, weil deine Hilfe benötigt wird, Zamorra.«
Der winkte ab, griff nach Nicoles Hand und zog sie zum Frühstückstisch. »Setzen wir uns. Für dich ist sicher auch noch genügend da, Merlin…« Und mit Heißhunger fiel er über das Frühstück her. Auch Merlins überraschendes Erscheinen konnte ihn nicht davon abhalten, seinen Magen zu füllen. Er hatte einen erheblichen Nachholbedarf. Bei der magischen Aktion zwischen Marino und Rom hatte er nicht nur seine psychischen Kräfte erschöpft, sondern wie immer war der Erschöpfungszustand weitergehend. Zamorra hatte einen erheblichen Kalorienverbrauch gehabt. Magie bewirkt vieles, aber sie verlangt auch einen Preis, und er fühlte sich, als habe er fast eine ganze Woche lang nichts gegessen.
Entsprechend langte er zu.
Seine brennende Neugierde konnte er später immer noch stillen. Irgendwann würde Merlin schon berichten, was los war. Immerhin hatte er sich nach dem Abenteuer in der Vergangenheit des Silbermondes in seine Tiefschlafkammer zurückgezogen, um seine verbrauchten Kräfte zu erneuern.
Sehr zum Verdruß seines dunklen Bruders Sid Amos, der gehofft hatte, endlich seiner Aufgaben ledig zu sein, als Merlin aus dem Kälteblock befreit wurde. Immerhin hatte Merlin ihn seinerzeit zu seinem Nachfolger beziehungsweise Stellvertreter ernannt; etwas, das Amos gar nicht gefallen konnte. Denn die Aufgabe band ihn zu sehr an Caerdmardhin. Er konnte Merlins Burg immer nur für kurze Zeit verlassen, was seinem freiheitsliebenden Naturell widersprach - und seine zahlreichen kleinen Geschäfte beeinträchtigte, die er überall auf der Erde laufen hatte, dabei zahlreiche verschiedene Tarnexistenzen benutzend, die er noch aus seiner Zeit als Fürst der Finsternis in die Gegenwart herübergerettet hatte.
Amos war verdrossen. Statt ihn abzulösen, hatte sich Merlin in seine Schlafkammer verzogen, die sich irgendwo in einer Dimension neben der Welt befand und von niemandem außer Merlin selbst betreten werden konnte. Dort erneuerte der Magier von Avalon seine Kräfte. Aber so lange wie diesmal war er noch nie in seiner Schlafkammer geblieben. Sowohl Zamorra als auch Sid Amos hatten bereits befürchtet, es sei ihm etwas zugestoßen; er sei vielleicht unbemerkt in seiner Kammer verstorben…
Aber nun war er wieder da.
Und gleich mit einer solchen Überraschung! Sicher, er war nicht zum ersten Mal im Château Montagne. Auch früher war er schon des öfteren plötzlich hier aufgetaucht und benutzte dabei einen Weg, den Zamorra nicht nachzuvollziehen vermochte.
Vielleicht die Regenbogenblumen im Keller?
Aber andererseits hätte es dann dort unten Spuren geben müssen. Nicht nur im Staub auf dem Boden, sondern auch zwischen zerfetzten Spinnennetzen, die wie riesige, raumfüllende Schleier dort in den Gängen und Räumen gehangen hatten.
Zamorra glaubte nicht daran, daß Merlin jene Möglichkeit benutzte. Aber er wollte ihn irgendwann darauf ansprechen. Vielleicht gab es ja in Caermardhin oder in der Nähe auch diese Blumen…
»Du hast diesmal ja ziemlich lange geschlafen«, sagte Nicole respektlos. »Hast du vergessen, den Wecker zu stellen, oder hast du ihn nur einfach überhört, Merlin?«
Der Weißhaarige, der auf einem Stuhl ihnen gegenüber Platz genommen hatte und Zamorra sichtlich amüsiert beim Essen zuschaute, schüttelte den Kopf.
»Es
Weitere Kostenlose Bücher