0441 - Astaroths Amazonen
Anführerin des Trupps, der die Gefangenen herangeschafft hatte, erstattete den Astaroth-Priestern Bericht.
»Vier, sagst du?« fragte einer von ihnen, der sich durch Kahlköpfigkeit und einen wohlgenährten Bauch auszeichnete. Er trug wie die anderen eine fußlange dunkle Kutte, auf der Astaroths Sigill mit leuchtend rotem Garn gestickt war und schon von weitem jedem verriet, welchem Herrn er diente. Auch auf seinem kahlen Schädel schimmerte das Sigill, das Anrufzeichen des Dämons. Der Astaroth-Priester hatte es sich einst selbst in die Kopfhaut geschnitten, wie es der Ritus vorschrieb.
»Aber eine von ihnen ist nicht gefangen, sondern kam freiwillig? Und sie behauptet, sie würde nicht geopfert werden?«
Wieder bestätigte die Amazonenführerin.
Der Priester verzog das Gesicht. »Nun, es spielt keine Rolle, was sie sagt oder denkt. Vier Opfer erfreuen Astaroth weitaus mehr als drei, obgleich auch drei schon viel sind. Ruft alle zusammen. Die Opferung beginnt, wenn der fünfte Gongschlag erfolgt.«
Einer der vier anderen Dämonenpriester schritt zu dem großen Bronzegong hinüber, nahm den hölzernen Schlegel mit der gegossenen Bronzekugel am Ende, holte aus und schlug zu. Der Gong dröhnte überlaut in dem hölzernen Tempel jenseits des Dorfes, und der Schall drang weit hinaus über das Mündungsdelta des großen Flusses, um jedem zu verkünden, daß es wieder einmal soweit war, den Dämon zu ehren.
Die Amazonenführerin verneigte sich und verließ den Tempel. Gemessenen Schrittes kehrte sie ins Dorf zurück.
Befehle brauchte sie nicht zu erteilen. Seit diesem ersten Gongschlag wußte jeder Bescheid, was zu tun war. Es war ein uraltes Ritual, das jeder Amazone bekannt war.
Im Tempel begannen die fünf Priester, den Blutaltar vorzubereiten. Ihre Gesichter strahlten, die Augen funkelten zufrieden. Vier Opfer - das hatte es erst einmal in der Geschichte ihres Volkes gegeben, seit sie Astaroth dienten. Die Regel war ein Opfer. Denn es war schwer, sie lebend zu fangen. Die Zeiten waren bekannt, und dann wagte sich kaum jemand in die Nähe. Und viele töteten sich lieber selbst, ehe sie sich gefangennehmen ließen.
Und schon lange vorher Gefangene zu machen, um sie bis zur nächsten Opferung in Verliesen zu halten, verbot das Ritual. Das wäre zu einfach gewesen. Wer dem Dämon wirklich diente, mußte dafür Strapazen auf sich nehmen und das Risiko, zu versagen.
Diesmal hatte niemand versagt.
Wie viele Amazonen von dieser Jagd nicht zurückgekehrt waren, danach fragten die Priester nicht. Denn Astaroth würde auch nicht danach fragen. Nur das Ergebnis zählte, und es war so gut wie kaum jemals zuvor. Opfer mußten gebracht werden - Verluste mußten hingenommen werden.
Die fünf Priester waren bereit, die vier Gefangenen nacheinander dem Dämon anzubieten.
Der Gong hallte zum dritten Mal.
***
Rax hatte das Dorf der Amazonen erreicht. Er hielt sich am Fluß. Dort gab es zahlreiche Möglichkeiten, sich zu verstecken. Das hohe Schilfgras schützte ihn. Auch konnte er sich schwimmend durch die schmalen Bewässerungskanäle bis fast mitten ins Dorf hinein wagen.
Aber noch befand er sich außerhalb.
Hier war er noch nie gewesen, kannte sich nicht aus. Männer hatten in diesem Dorf keinen Zutritt.
Er versuchte herauszufinden, wo die Gefangenen untergebracht worden waren. Und er versuchte auch festzustellen, wo die Opferung stattfinden würde. Aber die Hütten im Dorf sahen alle gleich aus. Dabei war anzunehmen, daß der Astaroth-Tempel ein etwas herausragendes Gebäude war.
Immerhin war es überall der Fall, daß die Tempel besonders gestaltet oder zumindest größer gebaut waren als alle anderen Häuser des jeweiligen Dorfes oder der Stadt.
Rax faßte den Dolch fester. Er brauchte eine bessere Waffe. Seine doppelschneidige Axt zum Beispiel. Aber die war weit entfernt. Er hatte nur die Möglichkeit, einen oder zwei Speere zu erbeuten. Andere Waffen als Speere und Dolche verwendeten die Amazonen seines Wissens nicht.
Aber mit dem Dolch allein würde er kaum etwas ausrichten können. Ein Streitkolben, ein Morgenstern oder ein Langschwert… vielleicht auch Pfeil und Bogen… das wäre etwas gewesen. Aber solche Waffen waren für ihn momentan unerreichbar.
Er mußte sehen, was sich machen ließ.
Wenn es nicht ging, würde er unverrichteter Dinge wieder verschwinden. Auch wenn er seine Freiheit den Fremden verdankte, konnte niemand von ihm verlangen, daß er sich selbst ans Messer lieferte, um ihnen zu
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