0443 - Aufstand der Zwerge

Pfeile zischten die Raben schreiend durch die Luft. Die Schildmaid zuckte zurück, riß abwehrend die Arme vors Gesicht, um sich vor Schnabel- und Krallenhieben zu schützen. Wild umflatterten Odins Raben die Zwergin. -Odin erreichte den Dhyarra-Kristall, ohne sich beeilen zu müssen. Er griff die Zipfel des Tuches und bedeckte den Sternenstein damit. Jetzt konnte er ihn sicher berühren, und er nahm ihn in die Hand.
    »Laurin, Laurin«, sagte er kopfschüttelnd. »Wolltet Ihr mich etwa bestehlen lassen, König der Alben?«
    Laurins Gesicht hatte sich verfinstert.
    »Gebt Uns den Kristall zur Aufbewahrung«, verlangte er. »Nicht mehr wünschen Wir. Ihr werdet den Zauberstein zurückerhalten, sobald Ihr Unser Reich verlasset. Doch Wir dulden hier keine zauberischen Versuche! Bedenket das!«
    Odin lachte dröhnend. »Wie wollt Ihr es verhindern, König?«
    Der Zwerg straffte sich. »Indem Wir Euch bitten, Unsere Gastfreundschaft nicht länger in Anspruch zu nehmen!«
    Abermals lachte Odin. Und er verstärkte erneut seine Aura. Diesmal erschauerte Laurin deutlich. Dem Zwergenkönig traten Schweißperlen auf die Stirn. Unruhig tänzelte das uralte Männlein hin und her. Dann endlich gab Laurin sich einen Ruck.
    »Wir geben Euch ein wenig Gelegenheit, darüber nachzudenken«, sagte er. Damit wandte er sich um und verließ den Raum. Seine Schildmaid folgte ihm, die nicht mehr von den Raben angegriffen worden war, nachdem sie sich aus der Nähe des Kristalls entfernt hatte. Sie wirkte jetzt gar nicht mehr so selbstbewußt, tapfer und streitbar wie zu Anfang. Odins Aura wirkte auf sie wohl weitaus stärker als auf den Zwergenkönig. Die Schildmaid war zutiefst verunsichert. Sie war nahe daran, sich vor Odin zu fürchten.
    Er verzog das Gesicht, als er wieder mit den Raben allein war.
    »Da gehen sie hin«, murmelte er. »Glauben diese Wichte etwa, mir Befehle erteilen zu können? Mir, Odin?« Grimmig lachte er. Dann legte er den Dhyarra-Kristall wieder an seinen Platz und öffnete das Tuch behutsam. Neugierig sahen die Raben zu. Sie liehen dem Einäugigen ihr Sehvermögen. So konnte er den Kristall jetzt aus drei unterschiedlichen Perspektiven betrachten, was dem Bild eine ganz besondere Schärfe verlieh. Aber das war auch gefährlich. Denn um so stärker war auch die Faszination, die von dem Kristall ausging.
    Odin beugte sich über ihn. Seine Hand zuckte. Er war nahe daran, den Kristall wirklich zu berühren. Aber das durfte er nicht. Erst mußte er die Verschlüsselung auflösen.
    Laurin würde ihm niemanden zu Hilfe schicken. Also mußte er es allein ausprobieren.
    Nichts, wovor er sich gefürchtet hätte. Aber an die Runen, die ihm keinen Erfolg seiner Bemühungen hatten weissagen wollen, dachte er nicht mehr.
    ***
    Ted Ewigk ahnte nicht, wie knapp er abermals einer Katastrophe entgangen war. Er stand in der Dunkelheit auf einem großen Schotterplatz. Ein Parkplatz? Vieles deutete darauf hin. In der Nähe war eine Straße. Und vor ihm erhob sich in einiger Entfernung ein Felsmassiv. Ein schwaches Licht umspielte die Felsen noch, die Ted Ewigk schon einmal gesehen zu haben glaubte, aber da hatte er noch nicht geahnt, was sich wirklich dahinter verbarg. Daß es mehr als eine Sage war!
    Er sah die drei Türme, die der Anfang des Rosengartens waren. Aber jeden Moment konnten sie vor ihm endgültig verschwinden und das Felsmassiv zu einer komplett schwarzen Silhouette vor dem dunklen Nachthimmel werden, wenn der allerletzte Widerschein der bereits am Horizont versunkenen Sonne schwand.
    Er sah Teri an. »He, ich dachte, wir wollten in den Rosengarten hinein! Wieso sind wir hier draußen am Karer Paß? Das ist doch der Karer Paß, Teri, oder?«
    Sie nickte in der Dunkelheit.
    »Richtig, und bis zum Rosengarten sind es noch etwa sechs Kilometer. Ich hätte noch näher heran springen können, bis zu der Straße, die unter den Felsen hinweg führt und die jetzt in der Dunkelheit höchstens noch zu ahnen ist. Aber von hier aus sieht man die Felsen besser…«
    »Ich verstehe nicht«, sagte Ted. »Hast du keine klare Vorstellung von deinem Ziel? Reicht das nicht, um uns direkt hinein zu versetzen?«
    »In diesem Fall nicht. Vergiß nicht, daß sich Laurins Welt hinter einem Schleier verbirgt. Als ich das erste mal hinauf sprang, landete ich im Geröll der Felsen und stürzte prompt ab… man kann den Rosengarten nicht direkt erreichen, Ted. Nur die Felsen. Aber die wollen wir nicht. Wir wollen hinein in die fantastische,