0443 - Aufstand der Zwerge
blühende Welt, die der König damals verfluchte…«
Sie dachte an die alte Geschichte. An Dietrich von Bern, der auch als Gotenführer Theoderich bekannt und in Ravenna begraben war, und seinen Waffengefährten Wittich. An die mutwilligen Verwüstungen, die die beiden Recken im Rosengarten anrichteten. An ihre Auseinandersetzungen mit Laurin, dem Zürnenden, an den Verrat, den Laurin zweimal an Dietrich beging… und an den Fluch, mit dem Laurin diesen Garten später bedachte. Der Fluch, der alles versteinern ließ, deckte fast alle Tageszeiten ab bis auf die Abenddämmerung, die er vergessen hatte. Und deshalb ist das Felsmassiv im abendlichen Alpenglühen als ein gigantischer Blumengarten zu sehen…
So erzählte die Sage.
Sie dachte auch an jene Tage, in denen sie hier gewesen war und Laurin kennenlernte. Sie dachte an die Menschen, die ihr geholfen hatten, drüben in Vigo, auf der anderen Seite des Karer Passes. An Sibylle Leitner, die fast Sintrams Opfer geworden war, an Anton Grundl. An Laurins Raben, diese Verkünder kommenden Unheils und des Todes, und auch an die Riesen, die zu Mäusen wurden und lautlos davonhuschten, wenn man einen bestimmten Zauberspruch aufsagte. Es waren wilde, bewegte Tage und Stunden gewesen, und sie war nicht sicher, was geschehen wäre, wäre nicht auch Zamorra überraschend aufgetaucht.
»Und wie geht es nun weiter?« fragte Ted, der froh war, daß dunkle Nacht herrschte und niemand Teri und ihn in ihrem recht merkwürdigen Aufzug sehen konnte. Bei Tage, erinnerte er sich an seinen damaligen Trip hierher, hatte es auf dem Parkplatz von Autos geradezu gewimmelt. Überall tummelten sich Menschen, die wie er selbst den Rosengarten mit eigenen Augen sehen wollten. Es war in der Tat ein staunenswertes Phänomen, und es fiel schwer, sich vorzustellen, daß es doch in Wirklichkeit eine natürlich gewachsene Felsformation war, der die Natur zufällig diese fantastischen Formen gegeben hatte.
Und auch jetzt war Ted sich gar nicht ganz sicher, ob die Sage nicht in diesem Punkt den geologischen Gegebenheiten angepaßt worden war, oder ob die Felsen ihre Form nicht doch durch einen Zauberspruch Laurins erhalten hatten…
Aber dann mußte seine Macht gigantisch sein. Wenn er Felsen eine andere Form aufzwingen konnte, war ihm dann überhaupt irgend etwas unmöglich? Aber dennoch hatte er sich in fast eineinhalb Jahrtausenden nicht gegen Sintram wehren können! Ted nahm eher an, daß es diesen Rosengarten tatsächlich gegeben haben mochte, aber nicht dort oben in den lebensfeindlichen, schroffen Felsen, die oft genug von Schnee bedeckt wurden.
Aber wie auch immer: sie mußten hinein, um Laurins Reich betreten zu können!
»Wie es weiter geht? Von hier aus kann ich mich auf das Wechseln in die andere Welt konzentrieren. Ich muß die Felsen sehen, um mich darauf einstellen zu können«, erklärte Teri jetzt. »Vergiß nie, daß es kein normaler zeitloser Sprung von einem Ort zum anderen innerhalb einer Welt ist, sondern daß wir von der einen in die andere wechseln wollen, ohne dafür ein Weltentor benutzen zu können. Denn das eigentliche Weltentor ist in diesem Moment unsere eigene Vorstellung, unser eigener Geist…«
Er versuchte zu begreifen, was sie gesagt hatte, aber so ganz gelang es ihm nicht. Er war nicht gerade fantasielos, aber momentan überstieg alles seine Vorstellungskraft. Er wußte nur, daß Odin mit seinem Kristall in Laurins Reich war und daß er dorthin mußte. Alles andere… blieb ihm fremd.
»Das größte Problem bist du, Ted«, eröffnete Teri plötzlich. »Du bist innerlich verkrampft. Du bist nicht richtig auf das Fantastische eingestimmt, das auf dich wartet. Etwas in dir sträubt sich dagegen, die Tatsachen anzuerkennen, und das ist ein Störfaktor, der mir ganz schön zu schaffen macht, mein Lieber! Wie wäre es, wenn du zur Abwechslung mal an gar nichts denken würdest?«
Ted zeigte sich verblüfft. »Funktioniert meine Mentalsperre nicht mehr?«
Die hatte Professor Zamorra ihm seinerzeit verpaßt wie jedem aus ihrem kleinen, verschworenen Team, weil die meisten Dämonen in der Lage waren, Gedanken zu lesen. Gab es diese Sperre, war das natürlich nicht mehr möglich, es sei denn, der Betreffende lockerte sie aus eigenem Willen.
»Die Sperre funktioniert nach wie vor, aber trotzdem ist in ihr etwas, das sich sperrt. Mach’s wie ein guter Beamter oder Spitzenpolitiker - verzichte aufs Denken«, verlangte sie spöttisch.
Ted verzog das Gesicht.
Im
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