0443 - Einer hat den Mord gefilmt
sich wachzuhalten, in einem Drugstore eine Menge Kaffee getrunken, hatte eine Zeitlang in einem Kino gesessen und war schließlich übermüdet auf dieser Bank eingeschlafen.
Er war also Augenzeuge eines Mordes geworden. Writer wußte genau, warum er, — seinen Verfolgern entkommen —, nicht auf dem kürzesten Wege zur Polizei gegangen war. Er hatte das Gefühl, es müßte sich aus diesem Zufall mehr herausschlagen lassen als das anerkennende Schulterklopfen eines Polizeiinspektors. Zumindest wollte er wissen, welche Zusammenhänge dieser Mord hatte. Er hatte sich eine Morgenzeitung gekauft, aber sie enthielt keine Meldung über den Mord in der Subway.
Writer rauchte die Zigarette so weit auf, bis die Glut ihm die Fingerspitzen versengte. Dann stand er auf und machte sich auf die Suche nach einem Zeitungsstand, an dem die Spätausgaben der Zeitungen schon auslagen. Er stieß auf einen Stand in der Nähe des großen Teiches im Central- Park.
Auf den Titelseiten von vier Spätausgaben sah er das Bild der Frau aus der Untergrundbahn. Er kaufte ein Exemplar und starrte auf die balkendicke Überschrift. »Gangsterfreundin Kate Tharn ermordet in der Sub aufgefunden.«
Ein kleineres Bild zeigte die verschwommene Fotografie eines Mannes.
Er las den Lebenslauf, erfuhr, daß Richard Black ein gefürchteter Gang-Boß war, dem ein Vermögen von mehr als drei Millionen Dollar nachgesagt wurde.
Writer tastete nach der linken Rocktasche. Er hatte die Kamera vom Hals genommen und trug sie in der Tasche. Er begann durch die Zähne zu pfeifen. In seiner Phantasie zeichneten sich viele Möglichkeiten ab. Er blickte in den Himmel und sah ein Schneegestöber von Dollarnoten auf sich herunterrieseln. Er schob sich die zweite und letzte Zigarette zwischen die Lippen.
Alles in allem besaß er noch vier Dollar, aber noch nie in seinem Leben hatte er so gute Aussichten gehabt, ein wohlhabender Mann zu werden. Er konnte die Aufnahme an eine Presseagentur verkaufen. Zwei- oder dreitausend Dollar konnte er mit Sicherheit dafür herausschlagen.
Eine schöne Summe für einen halbverhungerten Strandfotografen, aber ein Trinkgeld im Vergleich zu dem Vermögen, das Richard Blake zahlen mußte, damit nie jemand die Fotografie eines Mordes zu Gesicht bekam.
Writer wußte genau, daß es sehr gefährlich war, mit dem Gangsterboß in Geschäftsbeziehungen zu treten. Die übliche Münze, in der Black zahlte, war eine Kugel oder ein paar Messerstiche. Der Fotograf dachte darüber nach, welche Vorkehrungen er treffen konnte. Dann fiel ihm heiß ein, daß er überhaupt nicht wußte, ob er wirklich einen Beweis für den Mord in den Händen hielt. Die Aufnahme konnte verdorben, bis zur Unkenntnis mißlungen sein. Er mußte sich sofort vergewissern. In seiner Wohnung besaß er alles, was zur Entwicklung, Kopierung und Vergrößerung von Aufnahmen benötigt wurde. Er überlegte, ob er wagen sollte, in die 106. Straße zu gehen.
»Laß dich auf kein Risiko ein, Harry, alter Junge«, sagte er halblaut zu sich selbst.
»Ich werde Evelyn aufsuchen. John ist um diese Zeit nicht in der Wohnung.«
Er ging zur nächsten U-Bahn-Station. Als er in den Subway-Zug einstieg, grinste er. Die Wagen waren mit Menschen vollgestopft wie Sardinenbüchsen.
Kurz vor sieben Uhr läutete an der Tür eines Fertighauses in Woodmere, jenseits der Stadtgrenze von New York ein Mann! Ein Mädchen von acht Jahren öffnete ihm. »Du, Onkel Harry!« rief es erstaunt, wandte sich um und rief in das Innere des Hauses. »Mammy, es ist Onkel Harry!«
Die Frau, die auf den Ruf des Mädchens zur Tür kam, mochte knapp drei-Big Jahre alt sein. Sie trug eine Schürze, an der sie sich die Hände abtrocknete. Eine Strähne weizenblonden Haares hing ihr in die Stirn. Aus blauen, von dunklen Wimpern umrandeten Au-Ken blickte sie überrascht und erschrocken zugleich auf den Mann.
»Hallo, Evelyn!« grüßte Writer. »Harry, du hattest versprochen, mich in Ruhe zu lassen. John will nicht, daß du uns besuchst, und ich, Harry, will es auch nicht.«
Sie faßte das Mädchen an der Schulter, drehte es und befahl:
»Kümmere dich um deine Schularbeiten!«
Das Kind lief die Treppe hinauf in sein Zimmer. Writer drängte:
»Du mußt mir helfen, Eve! Es ist wichtig für mich. Ich kann meine Entwicklungsvorrichtungen nicht benutzen. Laß mich in Johns Labor. Ich brauche nur eine halbe Stunde.«
»John wird mir Vorwürfe machen, wenn er es merkt.«
»Warum sollte er es merken? Du arbeitest jeden
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