0445 - Die Macht des Träumers
ganze brutale Kneipenhorde auf den Hals zu hetzen.
Er war körperlich topfit, und er verstand sich zu wehren, aber nicht gegen eine derartige Übermacht. Die einzige Chance, die er hatte, war die Flucht. Aber hinter ihm war nur die massive Wand.
Rechts und links gab es keine Fenster, durch die er entwischen konnte. Also blieb ihm nur die Flucht nach vorn.
Noch ehe die ersten ihn erreichten, ging er selbst zum Angriff über, wirbelte zwei von ihnen mit Aikido-Kombinationen durch die Luft und gegen ihre Kumpane, und schnellte sich auf die nächsterreichbare Tischplatte. Von dort aus gab er sich erneut Schwung und flog förmlich über die Menge hinweg. Er bedauerte, daß es hier nicht wie in manchen Filmkneipen einen riesigen, von der Decke hängenden Kronleuchter gab, mit dem man sich durch das ganze Lokal pendeln lassen konnte.
Aber wahrscheinlich wäre der ohnehin aus seiner Verankerung gerissen. So etwas funktionierte nur im Film.
Cascal sauste über die überraschten Männer hinweg. Natürlich sackte er sofort wieder ab, riß dabei drei, vier der Barbaren mit zu Boden, die in der hintersten Linie gewesen waren und nicht im Traum damit rechneten, so schnell »Feindkontakt« zu bekommen. Deshalb konnten sie nicht schnell genug reagieren. Cascal rollte sich ab, kam wieder auf die Beine und sprang auf ein Fenster zu.
Etwas knallte.
Der Schwarzgekleidete hatte seme Peitsche benutzt. Die metallisch glitzernde Schnur war genau dort niedergegangen, wo sich Cascal eben noch befunden hatte. Jetzt wand sich ein schreiender Mann auf dem Boden, der aus der Schnittwunde blutete, die ihm die Peitsche zugefügt hatte, weil er im Wege gestanden hatte.
Cascal federte sich ab, verschränkte die Arme schützend vor dem Kopf und sauste durch das Fenster nach draußen. Er hoffte, daß sich dahinter nicht gerade die Fäkaliengrube oder ein anderes unschönes Hindernis befand. Aber da war nur ein hölzerner Gehsteig, dessen Geländer er durchbrach, um in den Straßenstaub zu rollen. Er drehte sich mehrmals um die eigene Achse und sah dann, wie die Spitze der Peitschenschnur gerade wieder im Fenster verschwand; sie hatte noch hinter ihm hergezüngelt. Das Blut des versehentlich getroffenen Mannes schimmerte noch an der metallischen Schnur, die diamantscharf sein mußte, denn sie hatte einen Schnitt in dem Teil des Fensters hinterlassen, der von Cascals Sprung nicht zertrümmert worden war.
Der Schatten richtete sich auf.
Seine Hüfte schmerzte. Mit ihr war er gegen das Gehsteiggeländer gestoßen, das zu seiner Erleichterung nicht besonders stabil gewesen war. Sonst hätte er sich daran verletzt. So blieb ihm wohl nur ein blauer Fleck oder schlimmstenfalls ein Bluterguß.
Er hinkte zur gegenüberliegenden Straßenseite, wandte sich um und hörte laute Stimmen. Sie kamen von der Eingangsseite der Schänke, aus deren Seitenfenster er gesprungen war. Dort auf der Hauptstraße waren auch Menschen, die zu ihm herüber sahen und ihn mit Sicherheit verraten würden. Sie trugen farbenprächtige, orientalisch anmutende Kleidung und gestikulierten jetzt heftig. Cascal sah sich gehetzt um. Die Seitenstraße, in der er sich befand, bot keine Deckung. Haus stand an Haus, jedes wenigstens zwei Klagen hoch. Er konnte sich höchstens unter einen der Gehsteige rollen, aber darauf würden seine Häscher kaum hereinfallen.
Er rüttelte an einer Türklinke. Sie gab nicht nach. Cascal hinkte schneller. Langsam ließ der Schmerz nach. Er versuchte es bei der nächsten Tür, einzudringen, aber auch hier war es unmöglich. Als er den Kopf wandte, sah er die drei schwarzen Gestalten in der Seitenstraße auftauchen.
Sie bewegten sich alptraumhaft langsam, als wüßten sie ganz genau, daß er ihnen nicht entkommen konnte.
Verdammt, was wollten sie von ihm? Der Peitschenhieb, der den anderen Mann verletzt hatte, bewies, daß es ihnen nicht darauf ankam, ihn lebend zu fangen. Wenn es nicht anders ging, würden sie ihn töten, um ihn an der Flucht zu hindern.
Er rannte jetzt, vergrößerte den Abstand. Dann versuchte er es abermals an einer Haustür, begann wild dagegen zu hämmern, als auch sie sich verschlossen zeigte. Doch niemand öffnete ihm.
Die nächste Tür! Das nächste Haus! Irgendwo mußte doch jemand sein, der ihn hereinließ. Oder fürchteten sie die Schwarzen alle so sehr, daß niemand sich herablassen würde, Cascal zu helfen? Zum Teufel, in was für eine Welt war er hier geraten?
Abrupt blieb er stehen. Es hatte keinen Sinn mehr, weiter
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