0445 - Die Macht des Träumers
erinnerte ihn an eine Frau, die er schon einmal gesehen hatte. Aber wann und wo?
»Wie heißt du?« fragte er.
»Shirona«, sagte sie mit ihrer melodischen Stimme. »Und du?«
»Ombre«, sagte er mechanisch. Auch in dieser fremden Umgebung blieb er seiner Marotte treu, seinen wirklichen Namen nicht zu verraten. Er war- der Schatten. Mehr brauchte niemand über ihn zu wissen.
Shirona, dachte er. Auch der Name erinnerte ihn an etwas. Aber er kam noch nicht darauf. Immerhin paßte der Name zu ihr. »Ich habe eine Menge Fragen«, sagte er. »Ich bin fremd hier. Wenn ich überleben will, muß ich wissen, mit wem ich es zu tun habe.«
»Stell deine Fragen«, sagte Shirona. »Wir haben Zeit.«
Sie kauerte sich auf den Boden. Ihre Bewegungen waren katzenhaft. Ihr Gesicht und ihr Körper luden zur Liebe ein. Ihre enge und recht offene Kleidung brachte Cascals Blul in Wal lung. Mit einer anmutigen Bewegung strich sie sich durch das lange Haar.
Er blieb, an den Baunn iesen gelehnt, stehen. »Warum hast du mich gerettet?«
»Du besitzt etwas, das mich dazu verleitete«, sagte sie.
Er dachte an sein Amulett. Sollte es das sein? Langsam öffnete er sein Hemd. Die Silberscheibe blitzte leicht auf. Die Augen der Blonden wurden schmal. »Woher hast du es?« fragte sie.
»Was weißt du davon?« fragte er zurück.
Sie erhob sich wieder und kam auf ihn zu. Er hätte Shirona liebend gern in seine Arme geschlossen, aber er streckte abwehrend die Hände aus und stoppte sie damit. »Ich stelle die Fragen«, sagte er energisch. »Beantworte sie mir, dann werde ich dir auch antworten.«
»Du bist undankbar, findest du nicht?«
»Ich soll meine Fragen stellen, hast du erlaubt. Deshalb erwarte ich Antworten. Ich habe dich auch nicht gebeten, mich zu retten.« Er wußte selbst nicht so genau, weshalb er so abweisend reagierte. War es eine Schutzreaktion seines Unterbewußtseins? Er knöpfte sein Hemd wieder zu; das Amulett verschwand darunter.
»Ich weiß nichts darüber«, sagte sie. »Ich habe nur bemerkt, daß du es trägst, und das machte mich neugierig auf dich.«
Er fühlte, daß sie log. Sie wußte mehr, aber sie wollte nichts verraten. Außerdem war sein Hemd so geschlossen gewesen wie jetzt. Sie hatte, selbst wenn sie von einem Fenster aus zugeschaut hatte, die Silberscheibe gar nicht, sehen können! Und sie hatte ihn nicht durch die Haustür gezogen, sondern durch eine Öffnung in der Wand.
»Was ist das für ein Gang?« Er deutete auf den Baum hinter sich.
»Ein Geheimgang. Es gibt etliche von ihnen.«
»Wer hat sie angelegt? Weshalb? Es kann doch kein Zufall sein, daß die Öffnung genau da war, wo ich mich befand.«
»Darüber kann ich dir nichts sagen.«
Sie wich ihm schon wieder aus. Nun gut, wenn sie das Spiel so lenkte, konnte er darauf eingehen.
»Wer sind die Schwarzen? Warum sind sie hinter mir her?«
»Nicht nur hinter dir«, sagte sie. »Sie suchen jeden Fremden. Sie sind die Schergen des Fürsten.«
»Woher weiß er von mir? Warum schickt er mir eine Killertruppe auf den Hals, wenn er etwas von mir will? Ich habe ihm nichts getan. Ich habe nicht darum gebeten, in dieses Land und diese Welt zu kommen. Ich will nichts mit ihm zu tun haben, ich will in meine eigene Welt zurück.«
Sie deutete auf seine Brust. »Dieses Amulett hat dich hierher geleitet.«
»Du weißt also doch mehr, als du sagen willst«, sagte er. »Wie nett von dir.«
Sie zuckte mit den Schultern.
»Ich habe dich eben etwas gefragt«, erinnerte er sie.
»Der Fürst weiß über alles Bescheid, was hier geschieht«, erklärte Shirona. »Er hat tausend Augen und Ohren. Und wahrscheinlich sieht er in dir eine Gefahr, wie er sie auch in mir sieht. Oder er will einen Freund gewinnen.«
»Nicht, indem er mich umbringen läßt. Du redest irre«, sagte Cascal. »Was waren das eigentlich für Waffen?«
»Die Dolche?«
»Ja, verdammt!« explodierte er. »Laß dir doch nicht jede Information einzeln aus der Nase ziehen! Du weißt, daß ich nicht von hier bin! Du weißt, daß ich Wissen benötige, um zu überleben! Teile es mir mit, hilf mir! Oder deine Rettungsaktion war für die Katz !«
»Für welche Katz? Und Informationen aus der Nase ziehen? Ein amüsanter Gedanke, aber wohl nur symbolisch gemeint?«
Er stieß sich von dem Baumstamm ab und trat einen Schritt auf sie zu. »Antworte!« drängte er.
Shirona seufzte. »Du übersiehst etwas«, sagte sie. »Nämlich die Möglichkeit, daß ich in dieser Welt auch fremd sein könnte. Nun,
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