0446 - Höllenfrost
»Wenn es sogar Euch zu täuschen vermochte…?«
»Ich werde dich unterstützen. Du wirst einen Skelettkrieger dort finden, wo dieses Geschöpf sich befindet, Bediene dich seiner Hilfe.«
»Aber…«
Leonardo lehnte sich zurück. Er hob abwehrend eine dürre Hand. »Verlasse unverzüglich die Schwefelklüfte. Ich werde dich lenken. Ich zeige dir die unmittelbare Nähe des Telepathenkindes. Dort wirst du deinen Helfer finden. Nun geh und handle.«
Stygia verneigte sich. »Wer außer Euch, mein Fürst, weiß noch von der Existenz dieses Geschöpfes?«
Leonardo grinste diabolisch.
»Du - und ich«, sagte er. »Niemand sonst, und so wird es bleiben. Denn wenn du einem anderen gegenüber davon reden wirst, daß ich seinerzeit das Telepathenkind nicht erwischte, werde ich dich vorher töten. Von jetzt an beobachte ich dich und deine Kontakte genau. Du hast eine Chance, dich zu bewähren, oder zu sterben.«
»Mich zu bewähren, Herr?« stieß Stygia verblüfft hervor. »Was wollt Ihr damit sagen?«
Der Fürst der Finsternis lachte rauh und spöttisch. »Glaubst du, ich hätte nicht gemerkt, daß du mit Astaroth zusammen gegen mich konspirierst? Nun zeige, auf wessen Seite du wirklich stehst. Entscheidest du dich falsch, wirst du sterben. Ich dulde keine Rebellion.«
»Ich diene dem Fürsten der Finsternis, dem Kaiser LUZIFER und seinem Ministerpräsidenten Lucifuge Rofocale in treuer Ergebenheit«, versicherte Stygia.
Leonardo grinste.
»Hoffentlich in dieser Reihenfolge der Wichtigkeit«, sagte er. »Und nun spute dich. Jede Sekunde, die das Telepathenkind länger lebt, arbeitet gegen uns.«
***
Robert Tendyke räusperte sich. »Ich denke, ihr könnt die Augenbinden jetzt abnehmen«, sagte er. Wo die Öllampe hing, wußte er auch im Dunkeln, denn er hatte die Schritte gezählt, und deshalb wußte er auf den Meter genau, wo sich die kleine Gruppe befand. Er ließ sein Feuerzeug aufblitzen. Wenig später brannte die Öllampe, eine zweite und eine dritte folgten. Die Zwillinge und Julian hatten die Augenbinden abgenommen, die sie auf Rob Tendykes Geheiß zuvor angelegt hatten.
Sie befanden sich in einer Höhle.
»Wo sind wir hier?« fragte Julian.
»Es ist besser, wenn das vorerst noch niemand von euch weiß«, erwiderte Tendyke. »Deshalb auch die Augenbinden. Wer den Weg nicht kennt, kennt auch nicht den Ort.«
»Blödsinn«, murrte Monica Peters, die sich auf ihren Gepäckkasten gesetzt hatte. »Wenn Fremde nicht erfahren sollen, wo wir sind - okay. Aber warum nicht wir selbst?«
»Julian weiß es«, sagte Tendyke ruhig.
Die beiden blonden Frauen, die mit ihrem gleichen Aussehen nicht voneinander zu unterscheiden waren, sahen den Jungen überrascht an.
»Es ist wegen - meiner Ausflüge«, sagte er leise. »Ich könnte ungewollt verraten, wo das Versteck liegt. Niemand ist ständig wirklich Herr über sich selbst. Eine Bemerkung nur, unbeabsichtigt, und schon ist es geschehen: Ein Gegner analysiert sie und findet eine Spur.«
»Ist das auch der Grund für unsere Flucht in diese Höhle? Brr, in der Blockhütte war es doch wesentlich komfortabler.«
Julian zuckte mit den Schultern. »Es ist mir etwas außer Kontrolle geraten«, gestand er. »Wesen tauchten auf, von denen ich mir nicht sicher sein kann, was sie erfahren haben und was nicht.«
Er verschwieg, was wirklich geschehen war. Daß er seine Träume derart stofflich werden lassen konnte, daß sie eigene kleine Welten bildeten, die seinem Willen unterworfen waren. Wenn er ihn ihnen lebte, verschwand sein Körper aus der normalen Welt. Das Verschwinden war von den Menschen beobachtet worden, nicht aber, wohin er gegangen war. Das blieb sein Geheimnis.
Und deshalb redete er auch nicht darüber, daß sich andere Wesen in seinen Traum gedrängt hatten und dort körperlich existent geworden waren. Der Neger, der sich Ombre nannte, die blonde Frau, die auf den Namen Shirona hörte und deren Augen manchmal wie pures Silber glänzten… und zum Schluß waren noch zwei andere hinzugekommen: Professor Zamorra und seine Begleiterin. Das war, als Julian sich bereits ins Erwachen zurückzog, weil er merkte, daß Shirona in die Steuerung seines Traumes eingriff und er selbst sie nicht mehr abblocken konnte. Shirona hatte ihm einen Teil der Kontrolle abgerungen.
Dagegen mußte er erst eine Abwehrmöglichkeit finden, bevor er wieder träumte und seine Fantasie Realität werden ließ, die so wandelbar war wie seine Willensentscheidungen.
Von Zamorra wußte er,
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