0446 - Höllenfrost
›halsseitig zu perforieren‹. Messerstiche und Pistolenschüsse verkraftet er mühelos. Selbst wenn Sie ihn in der Mitte durchschneiden, ist Sid Amos am einen Ende schon wieder zusammengewachsen, ehe Ihre Klinge das andere erreicht hat. Er ist nämlich kein Mensch.«
»Eher ein Weihnachtsmann, wie?« fragte Angelique respektlos.
Zamorra schüttelte den Kopf. »Wollt ihr wohl mit euren makabren Späßen aufhören, über die keiner lachen kann? Ombre, ich würde Ihre Privatsphäre gern respektieren, wenn nicht etwas geschehen wäre, bei dem nur Sie mir helfen können. Sie wissen doch noch, daß wir uns kurz in der Burg getroffen haben?«
»In der des Fürsten, ja«, knurrte Cascal. »Angelique, was hältst du davon, unseren lieben Gästen einen Café Mardi Gras anzubieten? Und mir auch, bitte.«
»Aber den der lieben Gäste mit Rattengift versetzt«, fauchte Angelique und knallte die Tür der winzigen Küche hinter sich zu.
»Sie meint’s nicht so«, sagte Cascal. »Kommen Sie in mein Zimmer.«
»Wo ist Maurice?« wollte Nicole wissen.
»Momentan nicht hier. Er hat Wichtigeres zu tun, als hier Anwesenheit zu machen«, sagte der Neger mit den hellgrauen Augen. »Da ich Sie wohl nicht abwimmeln kann — was also wollen Sie?«
»Wir können uns helfen. Sie sind durch das Amulett in die Traumwelt gelangt, nicht wahr? Können Sie mir mehr darüber erzählen? Danach erzähle ich Ihnen, auf welche Weise wir es geschafft haben, dort aufzutauchen.«
Cascal seufzte. »Was versprechen Sie sich davon?«
»Wir glauben, daß jemand noch lebt, den wir für tot hielten. Reicht das nicht als Grund? Wir wollen wissen, was die Wahrheit ist.«
Cascal seufzte. »Seit dieses verdammte Ding in meinem Besitz ist«, er deutete auf das Amulett, das neben seinem Bett auf dem Nachtschränkchen lag, »habe ich nichts als Ärger. Nichts mehr ist so wie früher. Ich will das nicht. Ich will ein ganz normales Leben führen wie jeder andere Mensch auch. Warum versteht das niemand? Und warum werde ich das verfluchte Ding nicht wieder los?«
Zamorra setzte sich auf einen Hocker. Er sah sich in dem winzigen Zimmer um. Billige Tapeten an den Wänden, an der Decke eine schlichte Fassung mit Glühbirne anstelle einer Lampe. Das Fenster, an dessen Kante der Gehsteig begann, konnte mit Pappdeckeln verdunkelt werden. Bett, Nachtschränkchen, Tisch, zwei Stühle, ein Schrank, ein paar Poster und ein paar Regale. In dieser kargen Einrichtung war der Amuletträger zufrieden. Unwillkürlich verglich Zamorra diese Umgebung mit Château Montagne und dem Beaminster Cottage in England und wußte, daß er trotz aller Todesgefahr, in der er und Nicole ständig schwebten, doch auf der Sonnenseite des Lebens gelandet war.
Oder war Ombre vielleicht mit diesem bescheidenen Ambiente glücklicher als mancher andere, der sich im Luxus von den Strapazen seiner Abenteuer erholen konnte?
Und er dachte nicht nur an Château Montagne und das Landhaus in der Grafschaft Dorset, sondern auch an Robert Tendyke und seinen Landsitz am Rand der Everglades. Tendyke, der wilde Abenteurer, der keine Gefahr ausließ und der trotz seines rustikalen Auftretens als heimlicher Besitzer eines weltweiten Industriekonzerns mehr Geld besaß, als er jemals verschwenden könnte.
Wenn er wirklich noch lebte.
Aber warum verhinderte er dann nicht, daß Leute wie der neue Topmanager Rhet Riker den Superkonzern zu einer Waffe gegen die Menschheit machte, die von der DYNASTIE DER EWIGEN gelenkt wurde?
Warum hielt er sich versteckt und ließ das alles geschehen?
Zamorra deutete auf seine Brust, wo unter dem offenen Hemd immer noch sein Amulett sichtbar war.
»Ich war einmal ein ganz normaler Akademiker«, sagte er. »Nun, nicht ganz normal - immerhin waren zumindest meine Vorfahren international. Spanier, Franzosen - und ich mit meinem amerikanischen Paß. Ich studierte Parapsychologie, und ich lehrte sie auch an der Harvard-University. Und dann erbte ich in Frankreich ein Schloß meiner Vorfahren. In dem Schloß fand ich dieses Stück Metall. Und seitdem hat sich mein Leben verändert. Ich bin nicht mehr der, der ich vorher war.«
Nicole lächelte.
»Einspruch, Euer Ehren«, sagte sie. »Ein bißchen verrückt warst du damals schon. Sonst wäre ich nicht deine Sekretärin geworden. Und sonst hättest du mich nicht davon überzeugen können, daß es Dämonen, Hexen, Vampire und ähnliches Kroppzeug gibt.«
»Davon hätten dich dann schon die Dämonen, Hexen, Vampire und ähnliches
Weitere Kostenlose Bücher