0448 - Der Nebel-Henker
Landschaft verscharren, dann sind sie ebenfalls in der Tiefe ihres Grabes verschwunden und warten dort auf den Jüngsten Tag!«
»Verdammt, warum rückst du erst jetzt damit heraus?«
»Weil ich es in der ganzen Hektik verdrängt hatte, und weil es uns sowieso nicht eher weitergeholfen hätte.«
Rainier fragte, und Lanart erklärte ihm: »Julian… Julian Peters heißt er wohl. Der ist das Medium, über den Professor Zamorra überhaupt erst auf diesen Fall aufmerksam geworden ist.«
»Dieses Medium möchte ich gern kennenlernen«, knurrte der Inspektor. »Hellseherei gibt’s also auch? Leute, ihr müßt eine Truppe von Supergenies sein.«
Vorsichtshalber ging keiner der Freunde auf diese Bemerkung ein. Während sie ihren Weg fortsetzten, kreisten Zamorras Gedanken um das, was er nun zuletzt gehört hatte. Er war sicher, daß Julian nicht nur einfach so daher geredet hatte. Wenn das Telepathenkind etwas sagte, dann steckte auch einiges dahinter. Man mußte seine manchmal orakelhaften Sprüche nur verstehen lernen.
Tot… tot und tief… ermordet, verscharrt wie ein Haufen Unrat… und vielleicht rachsüchtig? Vergeltung fordernd für einen Mord? Und dadurch alt und böse geworden? Möglicherweise war es also kein vergrabener Schatz, auf dem ein Fluch lag, sondern ein Mensch, der vor langen Zeiten ermordet und verflucht worden war, oder es selbst noch geschafft hatte, seine Mörder zu verfluchen und sich selbst zum Erfüllungswerkzeug seines Fluches zu machen, zum Vollstrecker…
Beispiele dafür gab’s genug, mit denen auch die Zamorra-Crew schon oft genug zu tun gehabt hatte. Nichts sprach dagegen, daß es auch diesmal wieder der Fall sein konnte…
***
Der in der Tiefe gewartet hatte, fühlte die Annäherung dessen, der ihn zum Rückzug gezwungen hatte. Der Fremde mit seiner starken Zauberkraft näherte sich wieder, und bei ihm waren auch die anderen.
Sie jagten ihn.
Sie hatten eine Spur gefunden, obgleich er sicher gewesen war, daß niemand sie finden konnte. Er hinterließ doch keine sichtbare Spur! Wer sterblich war, Mensch und noch unter den Lebenden, konnte sich doch gar nicht vorstellen, wie der Henker sich mit Hilfe des Nebels vorwärts bewegte! Dazu fehlte den Menschen einfach die Fantasie! Sie hatte ihnen schon vor 333 Jahren gefehlt. Jetzt war diese lange, lange Zeit um, und die Welt hatte sich stark verändert, war schneller geworden, mit einer Technik ausgerüstet, die vor mehr als drei Jahrhunderten als Teufelswerk angesehen worden wäre. Verschlossene Kutschen, die brummend ohne Pferde fuhren! Straßen mit einem unvorstellbar ebenen, gleichmäßigen Belag! Laternen an den Straßenrändern, die brannten, ohne daß jeden Abend der Nachtwächter entlang schritt und sie nacheinander in Brand setzte. Die dann auch noch am Morgen von selbst wieder erloschen! Riesige Masten, an denen lange, schwarze Schnüre hingen. Und eine Mode, die dem Henker absolut fremd war. Männer wie Frauen trugen Kleidung, die er sich niemals hatte vorstellen können. Schlichter die Männer, und herausgeputzter die Frauen.
Alles war anders geworden; Reiter und Pferdekutschen gab es nicht mehr. Aber der Charakter der Menschen hatte sich nicht geändert. Sie waren immer noch so wie damals.
Und jetzt hatten sie ihn trotzdem aufgespürt, obgleich das praktisch unmöglich war. Jetzt kamen sie, um ihn anzugreifen, und um ihn zu töten, so wie sie ihn vor 333 Jahren schon einmal getötet hatten.
Er lachte lautlos in der nebelverhangenen Dunkelheit. Ahnten sie überhaupt, daß sie ihn gar nicht töten konnten? Diesmal nicht! Denn jetzt war die Situation völlig anders. Diesmal war er im Vorteil. Selbst wenn sie alle zusammen zauberkundig waren, und von den Männern waren es zwei, bei den drei Frauen alle - selbst dann konnten sie ihm nichts anhaben, denn er war in der Lage, ihre Zauberkraft zu blockieren. Er hatte sich einmal überraschen lassen und mußte zurückweichen. Ein zweites Mal würde das nun nicht geschehen.
Diesmal war er in der besseren Position.
Und er begann, vorbeugend ihre Kräfte auszuschalten.
Seltsamerweise war da ein Bewußtsein mehr, als der Henker Menschen zählte. Das bereitete ihm Kopfzerbrechen, aber nur das!
***
Zamorra und die anderen hatten den Bach überqueren müssen. Er war hier zwar nicht mehr so breit, wie er schon in Lencouaqc war, was Zamorra zeigte, daß sie sich dem Quellgebiet näherten, aber er war immer noch zu breit, als daß sie ihn einfach überspringen konnten. Diesmal mußte
Weitere Kostenlose Bücher