0449 - Der Tod im Mädchen-Pensionat
Und dann schimmerte es auf einmal feucht in ihren großen, wunderschönen blauen Augen.
»Sie sind abscheulich«, sagte sie mit zückenden Lippen. »Kann ich denn dafür, daß Daddy nun einmal Geld hat? Ich will es gar nicht haben! Damit Sie es wissen! Und ich will Sie nie, nie, nie Wiedersehen!«
Sie warf sich abrupt herum und lief davon. Ich sah ihr nach. Ein Porsche, dachte ich. Und ein Lancia. Nicky Roller. Bill Mockton. Ein Porsche und ein Lancia. Ich spürte, wie eine gewisse Unruhe in mir aufkam.
Ich wollte Sue nachgehen, aber da sah ich gerade noch das rote Flackern auf dem Armaturenbrett des Jaguar. Das Ruflämpchen des Sprechfunkgerätes. Im Nu hatte ich die Tür aufgeschlossen und den Hörer in der Hand.
»Cotton«, rief ich hastig. »Was ist los?«
»Jemand verlangt anonym eine Verbindung mit einem G-man, der um die Vorfälle im Hunter College Bescheid weiß. Soll ich durchstellen?«
»Sicher! Ich plaudere gern mit anonymen Anrufern. Machen Sie schon!« Der Anrufer wolte ganz bestimmt anonym bleiben, denn er gab sich sogar Mühe, seine Stimme zu verstellen. Es kläng, als ob er sich beim Sprechen absichtlich einen Korken in den Mund gesteckt hätte.
»In den Frühnachrichten kam durch, daß im Hunter College der Schmuck von fast fünfzig Schülerinnen in der letzten Nacht abgeholt wurde. Stimmt das, G-man?«
»Wenn es die Frühnachrichten sagen, wird es wohl stimmen.«
»Aber in der Nacht sind da auch zwei Mädchen erledigt worden - oder nicht?«
»Ermordet, wenn Sie das meinen, ja.«
»Die Geschichte ist uns zu heiß. Liegt euch an dem Mann, der den Klunker hat?«
»Darauf können Sie Gift nehmen. Warum? Haben Sie einen Tip?«
»Sie sind drollig! Einen Tip? Wir liefern Ihnen den Mann aus. Wie gesagt, die Geschichte ist uns zu heiß. Zwei Morde für ein bißchen Glitzerkram? Aber ihr müßt euch beeilen! Er kommt um neun Uhr ins Hotel Wyndham in der 58. Straße, gleich am Grand Army Plaza. Dort ist für ihn ein Zimmer auf den Namen Westfield bestellt. Er wird die Sore bei sich haben. Schnappt ihn euch, wenn ihr ihn haben wollt.«
Ein Klicken in der Leitung. Die Verbindung war unterbrochen. Ich sah hastig auf meine Uhr. Zehn nach acht. Uns blieben genau fünfzig Minuten, um einen ganzen Block abzuriegeln, daß es niemand merken konnte. Ich drehte den Zündschlüssel. Mit gellender Sirene und kreischenden Reifen fegte ich vom Parkplatz.
***
Drei Minuten vor neun betrat ein kleiner, schmächtiger Bursche das Wyndham-Hotel in der 58. Straße. Er trug einen karierten dunkelgrauen Anzug, der schon bessere Tage gesehen hatte, und hatte flinke, neugierige Augen. Mitten in der Halle blieb er stehen.
Der Mann, der die Fahrstuhlführer-Uniform trug, warf einen knappen Blick zu einem Hotelgast, der in einem breiten, wuchtigen Clubsessel saß, ein Glas Fruchtsaft trank und mit einem kleinen silbernen Bleistift Zahlen in der Börsenseite einer Tageszeitung anstrich. Der Portier hinter der Empfangsloge sortierte die eingetroffene Post und sah dabei wie zufällig ebenfalls zu dem Gast, der sich Aktienkurse zu.notieren schien. Aber eben dieser Gast war ich, und ich sah im Grunde die Zahlen gar nicht, die ich anstrich.
Ich spürte die Blicke, legte den Bleistift beiseite und zog meine Zigarettenschachtel heraus. Der schmächtige Kerl in dem dunkelgrauen Anzug strich an mir vorüber und bedachte mich mit einem forschenden Blick. Ich zündete mir eine Lucky an, nahm den Bleistift wieder auf und fuhr die Liste der Unternehmen der Nordoststaaten entlang. Jeden Kurs, der über fünfhundert Punkten lag, strich ich an, nur damit ich überhaupt etwas anzustreichen hatte.
Der Bursche schob sich wieder hinaus. Draußen wandte er sich nach rechts. Ich warf einen Blick auf die Uhr. Wer auch immer den Schmuck im College gestohlen hatte, es war jedenfalls ein vorsichtiger Mann. Der Knabe im karierten Anzug war garantiert von ihm vorgeschickt worden, um die Lage zu sondieren. Jetzt kam es nur darauf an, daß wir ihm nicht aufgefallen waren.
Vier Minuten nach neun wirbelte die Drehtür einen breiten, mittelgroßen Mann herein, der zwei kleine Koffer trug. Ich streifte ihn mit einem gleichmütigen Blick. Und ich sah auf Anhieb, daß dies unser Mann sein mußte. Er gehörte zu den vierzig Professionellen, deren Karteikarten Ambers und ich vor ein paar Stunden aussortiert hatten. Es war einer jener typischen Berufsganoven, die die Hälfte ihres Lebens in Zuchthäusern verbringen, aber von ihrem »Job« nicht lassen
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