0449 - Der Tod im Mädchen-Pensionat
Zigarettenschachtel hin.
»Möchten Sie eine Zigarette, Roller?« Er schielte mißtrauisch zu mir herauf.
»Damit kriegt ihr mich auch nicht.«
»Niemand will Sie kriegen, Roller. Das brauchen wir nicht. Denn wir haben Sie schon.«
Ich hielt ihm noch immer das Päckchen hin. Jetzt siegte die Gier in ihm. Hastig griff er sich eine. Ich gab ihm Feuer. Er rauchte in tiefen Zügen und mit geschlossenen Augen.
»Warten Sie darauf, daß Ihnen Mockton hilft?« fragte ich. Es war so ziemlich ein Schuß ins Blaue.
Er riß die Augen auf und den Kopf herum.
»Mockton? Wieso? Wie kommen Sie denn auf den?«
»Ich habe mit ihm gesprochen«, sagte ich vage. »Und ich glaube nicht, daß er viel für Sie tun wird. Im Gegenteil. Er wird Ihnen meiner Meinung nach nicht einmal den Rechtsanwalt bezahlen. In Ihrem Fall und für Mockton ist das doch weggeworfenes Geld. Nein, ich glaube, er wird Sie fallenlassen wie eine heiße Kartoffel!«
Roller war rot angelaufen. Seine Stimme überschlug sich fast, als er schrie:
»Mich fallenlassen? Mich? Das kann er sich gar nicht leisten!«
Ich nickte langsam.
»Richtig, Roller. Das kann er sich gar nicht leisten. Danke.«
Er sah mich verwirrt an. Ich stopfte meine Zigarette angewidert in den überquellenden Aschenbecher auf dem Schreibtisch und drückte die Glut aus.
»Genau das, Roller«, sagte ich zum Abschied, »genau das hatte ich von Ihnen wissen wollen.«
***
Um halb sieben saß ich in einer Drugstore in der Nähe des East River, die schon geöffnet hatte, weil an den Piers gearbeitet wurde und ab und zu Schauerleute kamen, die einen Schnaps und einen Kaffee trinken oder einen Happen essen wollten. Der Inhaber war ein kleiner, flinker Chinese, der einen so wasserreinen Hafendialekt sprach, daß er hier an der Waterfront geboren sein mußte.
»Ich möchte gebratenen Schinken, drei Eier, Toast, Butter, einen Klecks Marmelade und reichlich guten Kaffee«, sagte ich.
»Aye — aye, Sir«, krähte der kleine Mann vergnügt, grinste mir freundlich zu und gab die Bestellung an seine Küche weiter.
Ich blätterte die Morgenzeitungen durch und fand in zweien einen noch nach Redaktionsschluß rasch eingeschobenen Fünf-Zeilen-Bericht über den Mord an Lis Triggling. Von Ann Roach stand noch gar nichts drin.
Mein Frühstück kam überraschend schnell, und nach der langen Nacht, die hinter mir lag, vertilgte ich es bis zum letzten Toastkrümel.
Zehn Minuten vor acht stand mein Jaguar wieder auf dem Parkplatz des Hunter College. Erst jetzt, bei Tageslicht, hatte man einen Überblick, wie weitläufig das College-Gelände im Grunde war. Turnhalle, Verwaltungsbau, Wohnhaus und die einzelnen Lehrgebäude lagen voneinander getrennt in den gepflegten Grünanlagen. Selbstverständlich gab es einen collegeeigenen Tennisplatz. Was sollte die High Society dieser Welt bloß anfangen, wenn es an einem Morgen beim Aufwachen plötzlich keine Tennisplätze mehr gäbe?
Ich rauchte ein paar Züge und überlegte mir, was ich in den nächsten Stunden hier tun wollte. Ich kam immer mehr zu der Überzeugung, daß eine gründliche Ortskenntnis -von größtem Nutzen sein könnte. Sue Barrington besuchte die Abschlußklasse, war also schon im dritten Jahr hier. Sie mußte sich hier auskennen. Aber theoretisch gehörte sie noch zum Kreis der Verdächtigen, wie zunächst einmal jeder verdächtig war, der gestern abend hiergewesen war. Ich griff nach dem Hörer des Sprechfunkgerätes und sagte, als sich die Leitstelle gemeldet hatte:
»Geben Sie mir die Mordabteilung Manhattan West.«
Eine resolute weibliche Stimme drang durch die Leitung. Unwillkürlich stellte ich mir eine kräftige, grobknochige Frau mit einem Anflug von Bart auf der Oberlippe vor. Sie bellte es förmlich in den Hörer:
»Hier Morddezernat Manhattan-West.«
»Jerry Cotton, FBI«, sagte ich. »Verbinden Sie mich mit der Mordkommission, die von Lieutenant Ambers geleitet wird.« .
Ich war sicher, daß wenigsten ein Mann von der Kommission Telefondienst hatte. Auch wenn sich alle anderen Mitarbeiter für ein paar Stunden aufs Ohr legten, mußte einer da sein, für den Fall, daß sich etwas Überraschendes tat.
»Hippie«, sagte die Stimme des einhändigen Sergeanten. »Guten Morgen, Cotton. Sie haben Glück, ich bin gerade ins Büro gekommen, um mir den Papierkrieg anzusehen, bevor wir wieder an die Front gehen. Was kann ich für Sie tun?«
»Zunächst einmal: Gibt’s was Neues?«
»Die Jungs von der Spurensicherung haben mal wieder
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