045 - Mörder der Lüfte
eines Kaninchens eine weiße Feder, ließ es frei und hetzte den Adler darauf. Es war müßig zu erwähnen, dass sich der Adler das Kaninchen geholt hatte. Wichtig dabei war nur, dass er beim Schlagen seines Opfers wieder mit einer weißen Feder konfrontiert wurde.
Er sollte sich merken, dass weiße Federn gleichbedeutend mit Töten und Fressen waren.
Jimenez ließ von Pedro auch einen Drachen in die Luft steigen, der mit zwei Federn des weißen Adlers behangen war. Jimenez' Adler riss den Drachen in der Luft in Stücke. Als er zu seiner Hand zurückflog, wurde er mit Coyotenfleisch belohnt.
Da sah Jimenez den Zeitpunkt für gekommen, das nächste Experiment zu starten. Normalerweise greift ein Adler einen Artgenossen in der Luft nicht an. Jimenez wollte das ändern.
Er besaß damals noch einen zweiten Adler. Diesem steckte er alle Federn des weißen Adlers, die er noch besaß, in den Rücken und ließ ihn frei. Dann schickte er seinen Racheadler nach.
Beim ersten Mal missglückte das Experiment. Der Racheadler zeigte keinerlei Lust, über seinen Artgenossen herzufallen, obwohl er weiße Federn im Rücken hatte. Deshalb bestrafte Jimenez ihn, indem er ihn eine Zeitlang nicht fütterte. Der Adler geriet darüber so außer sich, dass er beinahe ihn, Jimenez, anfiel. Nur der gepanzerte Handschuh bewahrte ihn vor einem Armbruch oder Schlimmerem.
Jimenez begann aufs Neue und richtete den Raubvogel mit toten Ködern ab, die mit weißen Federn gekennzeichnet waren. Der Racheadler reagierte.
Wenige Tage später wiederholte Jimenez das Experiment mit dem mit weißen Federn gekennzeichneten anderen Adler. Diesmal war das Experiment ein voller Erfolg. Der Racheadler hatte gelernt, dass er hungern musste, wenn er seinen Artgenossen nicht schlug. Er gewann den Luftkampf und bekam zur Belohnung den Kadaver des besiegten Adlers.
Jimenez hatte ihn fast schon dort, wo er ihn haben wollte.
Nun konnte er ihn bald auf den weißen Adler loslassen.
Aber er wollte kein Risiko eingehen und richtete den Racheadler weiterhin auf weiße Federn ab. Er sollte diese weißen Adlerfedern hassen lernen. Er, Jimenez selbst, lebte nur noch dafür, dem weißen Adler, der seine Frau und sein Kind, noch bevor er es gesehen hatte, umbrachte, den Garaus zu machen.
Und der Racheadler musste dasselbe wollen.
Jimenez fand in Pedro einen wichtigen Verbündeten. Den Jungen hielt der gleiche Hass gegen den weißen Adler aufrecht. Und gemeinsam schafften sie es, den Racheadler dahin zu bringen, wo sie ihn haben wollten.
Jimenez streifte den gepanzerten Handschuh über. Der Adler wechselte unruhig von einem Bein auf das andere, als Jimenez ihn verkappte und von der Fangschlinge löste.
Der Racheadler lastete schwer auf seinem Unterarm, als er mit ihm ins Freie ging. Er stieg eine Felserhebung hinauf und ließ sich dort nieder.
Pedro musste bald kommen.
Jimenez hatte manchmal Gewissensbisse wegen des Jungen. Es war sicherlich nicht recht, ihn als Köder für den weißen Adler zu benützen. Doch Jimenez sah keine andere Möglichkeit, den weißen Adler heranzulocken. Und Pedro war klug – Jimenez hatte ihm geduldig eingehämmert, was er zu tun hatte, wenn der weiße Mörder der Lüfte auftauchte. Er musste sich nur flach in eine Bodenvertiefung werfen oder in eine Felsspalte, je nach Bodenbeschaffenheit, damit der Adler ihn nicht im Flug greifen konnte.
Sie hatten alles hundertmal geprobt.
Es konnte praktisch nichts schief gehen. Aber einen Unsicherheitsfaktor gab es immer. Man konnte nicht alle Eventualitäten voraussehen. Deshalb hatte Jimenez Gewissensbisse.
Der Racheadler wurde auf Jimenez' Handschuh unruhig. So lange hatte er bisher noch nie auf seinen Einsatz warten müssen.
Wo blieb denn nur Pedro?
Jimenez erhob sich. Und da sah er ihn. Das heißt, er sah zuerst die weiße Feder in seinem Haar. Diese verhasste weiße Feder!
»Jetzt zeige, was du kannst, Racheadler!«, murmelte Jimenez.
Er hob die Hand, um ihm die Kappe abzunehmen. Zögerte. Eine unbestimmte Vorahnung riet ihm, dieses eine Mal den Racheadler nicht auf die weiße Feder zu hetzen. Er hatte das Gefühl, dass etwas schief gehen konnte.
Dann schob er seine Bedenken beiseite.
Er entkappte den Raubvogel und warf ihn mit einer Handbewegung in die Luft. Der Racheadler erhob sich mit einigen Flügelschlägen, kreiste über seinem Kopf und schraubte sich in einer Spirale in die Höhe.
Jimenez sah ihm nicht nach, sondern holte das Fernrohr aus seinem Gürtel und blickte zu Pedro
Weitere Kostenlose Bücher