0452 - Die finstere Seele
bewegte sich nicht. Er schien tot zu sein.
Blitzschnell übernahm Julian die unmittelbare Kontrolle über die Hilfsgeister, die ihn trugen. Er löschte ihren Willen aus, steuerte sie direkt, ohne erst umständlich Befehle erteilen zu müssen. Was er in Gedanken formulierte, führten sie im nächsten Moment aus. Er war ein Wesen mit vier Körpern - sofern die Hilfsgeister überhaupt wirklich körperlich waren. Aber diese Frage interessierte Julian nicht.
Blitzschnell schoß er auf den treibenden Menschen zu, tauchte neben ihm ins Wasser und griff zu. Er umschlang ihn fest, fühlte nasses Leder unter seinen Händen und jagte raketengleich mit dem Mann in die Höhe.
Das Licht wurde schwächer. Der glühende Hilfsgeist starb. Ein zweiter bekam den Befehl, ebenfalls als Lichtquelle zu dienen, die sich selbst verzehrte.
Julian starrte den Mann in seinen Armen an.
Allein die Kleidung verriet ihm schon, wen er vor sich hatte. Das Gesicht war verzerrt, am Hinterkopf schien eine Verletzung zu sein.
»Vater«, murmelte Julian.
Er dachte an Shirona. Ihr Eingreifen, ihre Störung hatte für den hochenergetischen Schlag gesorgt, der das Flugzeug zerstörte, der die gesamte elektrische Anlage lahmlegte. Julians und Shironas Kräfte hatten sich nicht miteinander vertragen.
Er hatte geschworen, Shirona bis an die Grenzen des Universum zu jagen und sie zu töten, wenn seinem Vater ein Leid geschehen war. In diesem Augenblick erneuerte er seinen Schwur. Daß er als Herr der Finsternis eigentlich über solchen Familiengefühlen stehen sollte, berührte ihn wenig. Er hatte nichts vergessen!
Sein Geist berührte den Robert Tendykes.
Erleichtert erkannte Julian, daß sein Vater noch lebte. Aber Julian hätte keine Minute später auftauchen dürfen.
Kurz umspielte ein Lächeln seine Lippen, als er einen weiteren Befehl erteilte. Dann zwang er die drei Hilfsgeister, die ihn immer noch trugen, dazu, ihn zum Land zu bringen.
Durch das Toben des Unwetters jagten sie davon, ostwärts, der Halbinsel Florida entgegen. Begleitet von einem Schwarm seltsamer, kaum sichtbarer Wesen, gespenstisch in ihrer Erscheinung. Bald darauf überflogen sie bereits die Küste. Julian korrigierte die Kursrichtung. Er ahnte, was das Ziel seines Vaters gewesen war, und brachte ihn dorthin. Es war eine Reise fast wie in einem Flugzeug, nur wesentlich schneller - wenn, auch nicht ganz so komfortabel.
Schließlich war der seltsame Flug zu Ende. Sie sanken dem Boden entgegen, berührten ihn, und jetzt endlich konnte Julian seinen Vater loslassen. Vorsichtig ließ er ihn zu Boden gleiten.
Dann bemühte er sich darum, ihn wieder ins Bewußtsein zurückzurufen, während ein anderer Hilfsgeist beauftragt wurde, die Kleidung zu trocknen. Es war hier, auf der anderen Seite Floridas und fernab von der Schlechtwetterzone, alles andere als kühl in der Nacht, aber jemand, der in durchnäßter Kleidung reglos lag, konnte sich durchaus eine Unterkühlung oder auch eine Lungenentzündung holen. Der Flugwind hatte das nicht zustandebringen können, weil die drei Hilfsgeister, die Julian und Robert Tendyke transportierten, sie abgeschirmt hatten.
Der letzte Helfer tauchte als Nachzügler auf. Er hielt etwas in seiner durchsichtigen Hand. Julian nahm es schmunzelnd entgegen. Dann schickte er die Geister fort.
Das, was jetzt noch zu tun war, um seinen Vater zu wecken, schaffte er auch allein.
Robert Tendyke öffnete die Augen.
Er hustete, richtete sich halb auf und erbrach Wasser, das er während der Katastrophe hatte schlucken müssen. Langsam griff er nach seinem Hinterkopf.
Er betrachtete seine Fingerspitzen, an denen etwas Blut klebte.
»Du wirst es überleben. Es wird schnell heilen, denke ich«, sagte Julian.
Tendykes Kopf fuhr herum. Sofort verzog der Abenteurer schmerzhaft das Gesicht. Die schnelle Bewegung hatte ihm nicht gutgetan.
Seine Augen weiteten sich.
»Wie zum Teufel…«, entfuhr es ihm. Er unterbrach sich. »Wo bin ich hier eigentlich?«
»Zwischen Miami und deinem Haus«, sagte Julian ruhig. »Ich wollte dir auch noch ein paar Meilen überlassen, die du auf eigenen Füßen zurücklegst. Das stärkt das Selbstbewußtsein.« Er grinste wölfisch.
Tendyke starrte ihn an. Julian konnte sehen, wie die kleinen Rädchen sich zu bewegen begannen, wie das Gehirn seines Vaters zu arbeiten begann. Seine Augen wurden schmal. »Hast du mich aus dem Wasser gefischt?«
Julian nickte.
»Bevor das Flugzeug abstürzte - glaubte ich deine Nähe zu spüren«,
Weitere Kostenlose Bücher