0452 - Udexa kommt
mißtrauisch die Augen. »Es sind Fremde, Harold. Weißt du, was du tust?«
»Ja, sie sind in Ordnung. Ich spüre es genau.«
»Okay, wie du meinst. Ich habe einen Kahn frei.«
Fenton lachte. »Den hast du doch immer frei.«
Potter stand auf. »Wo soll es denn hingehen?« Die Frage war mehr an uns gerichtet, und ich gab ihm auch Antwort.
»Ein wenig über den Sumpf fahren. Ich liebe diese einsamen Moorlandschaften. Ein letztes Stück Natur geben sie noch wieder.«
»Das stimmt schon. Aber…« Potter hob die Schultern. »Manchmal können Sümpfe auch sehr gefährlich sein.«
»Wir haben einen guten Führer.«
»Das stimmt, obwohl er blind ist. Er wird euch die gewissen Punkte sagen, die ihr anfahren könnt.« Potter war bereits vor zum Steg gegangen, wir folgten ihm.
Das Holz war weich geworden. Die Bohlen bogen sich unter unserem Gewicht, aber sie hielten. Dicht vor dem Ende des Stegs blieb unser Führer stehen und deutete auf einen Ruderkahn, den er rot gestrichen hatte. »Den könnt ihr nehmen.«
Ich fragte: »Wie sieht es mit einem Außenborder aus?«
Er schüttelte den Kopf. »So etwas habe ich nicht, sorry. Wer bei mir leiht, muß was in den Armen haben. Rudern ist außerdem gesund.«
»Und man gerät ins Schwitzen«, fügte ich noch hinzu, bevor ich in den Kahn stieg.
Er schaukelte durch die einseitige Gewichtsverlagerung. Suko und ich halfen dem Blinden, in das Boot zu steigen. Auf der Heckbank ließ er sich nieder.
Potter hatte schon das Tau gelöst und warf es ins Boot. Suko und ich hatten uns jeweils eine Ruderstange gegriffen, während der Verleiher dem Kahn einen Fußstoß gab, so daß er allmählich auf die offene Wasserfläche zuschaukelte.
Ich drehte mich zu Harold Fenton um, obwohl er mich nicht sehen konnte. »In welche Richtung müssen wir fahren?«
Der Blinde lächelte. »Ich habe bemerkt, wohin das Boot treibt. Erst einmal geradeaus.«
»Okay.«
Suko und ich ruderten. Zu Beginn gab es mit dem Rhythmus Schwierigkeiten. Nach einigen Minuten schon tauchten wir die Blätter gleichzeitig in die von Algen, Seerosenblättern und allerlei Grünpflanzen übersäte Oberfläche.
Je weiter wir uns vom baumumsäumten Ufer entfernten, um so stärker hatte ich das Gefühl, als würden wir allmählich auf einem Meer dahingleiten, denn Land sah ich nicht. Nur diese graugrüne Fläche, die allerdings zur linken Seite hin einen Bogen beschrieb und in regelrechtes Sumpfgelände mündete.
»Wo müssen wir überhaupt hin?« fragte ich laut.
»In das tote Wasser!«
»Wieso? Was heißt das?«
»Ihr werdet es schon sehen. Es ist die Stelle des Sumpfes, wo vor langer Zeit das Grauen gewütet hat. Noch heute könnt ihr es erleben und sehen. Es ist wirklich tot. Dort blüht nichts, selbst das karge Sumpfgras kann sich da nicht halten. Bevor ihr in die Gegend kommt, werdet ihr das tote Wasser riechen. Es stinkt nach Schwefel und Verbranntem, als wäre dort ein Festplatz des Satans.«
»Und Sie kennen sich da aus?« fragte ich.
»Ja, dort verlor ich mein Augenlicht, als man mir den Schwefel ins Gesicht kippte.«
Wir erschraken und schauten uns an. Soko hob die Schultern. Er hatte auch keine Ahnung gehabt. »War es Udexa?« wollte er wissen.
»Auch.«
Da der Mann einsilbig war, fragte ich ihn. »Wollen Sie nicht dar über reden?«
»So ist es.«
Zwingen konnten wir ihn nicht, also ruderten wir weiter in das flache, grüne Sumpfmeer.
Der Wind hielt sich versteckt. Es war drückend, und das Wasser stank. Unzählige Mücken tanzten über der Fläche. Die Libellen sirrten an uns vorbei, aber die Mücken klatschten gegen die schweißnassen Gesichter und stachen auch zu. Wir schlugen nur hin und wieder nach ihnen. Ansonsten hüllten wir uns in Schweigen.
Unsere Bewegungen waren längst eingespielt. Die Ruder ins Wasser tauchen, durchziehen, sie wieder hervorholen und das Spiel von vorn beginnen. Wir kamen gut voran. Das grüne Algenzeug schaukelte ununterbrochen auf der Oberfläche. Man sagte da auch Wasserlinsen zu, aber diese hier waren größer als die im Garten. Sie hingen dicht zusammen und bildeten einen großen, grünen Teppich, in den nur die Ruderblätter Lücken rissen.
Die Umgebung hatte sich kaum verändert. Vielleicht war das Ufer noch weiter zurückgetreten. Über der Oberfläche lag ein leichter Dunst.
Das Sanatorium, in dem sich Suko aufgehalten hatte, lag zur rechten Hand. Wir konnten es nicht sehen, da es sich hinter einem hohen, dunkelgrünen Wall versteckte.
Auch Suko hätte
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