0454 - Der blutrote Zauberteppich
ab, bis der Abbé plötzlich von einer Wolke sprach, die sich innerhalb der Dunkelheit auftat.
Seine Stimme hatte sich dabei gesteigert. Man merkte ihm nun die Erregung an. Sein Plan funktionierte. »Ja!« flüsterte er rauh. »Ja, genau das habe ich so gewollt. Er fliegt hinein, die Wolke holt ihn zu sich. Er kann nicht anders.«
»Es ist wie ein Tor«, meinte einer.
Bloch nickte, ohne das Fernglas von den Augen zu nehmen. »Du hast recht, es ist ein Tor.«
»Wo führt es hin?«
Der Abbé hatte die Freunde nicht eingeweiht. Das holte er nun teilweise nach. »In die Vergangenheit. Es wird John Sinclair in die Vergangenheit führen, wo unseren Vorfahren und Ahnherren so etwas Schreckliches widerfahren ist.«
»Gibt es ein bestimmtes Datum?«
»Ja, es wird der 18. März 1314 sein!«
Einer der Männer gab einen leisen Ruf des Erschreckens von sich. »Dann würde er dort eintreffen, wo Philipp der Schöne Jacques de Moley hat hinrichten lassen.«
»So ist es!«
Der Templer schwiegen. Vielleicht erschreckt, möglicherweise auch aus Unkenntnis. Bis einer von ihnen fragte: »Und was soll er dort alles unternehmen?«
»John Sinclair wird es wissen«, erwiderte Abbé Bloch orakelhaft. Damit war für ihn das Thema erledigt. Er beobachtete weiter und bekam auch mit, wie John Sinclair auf dem Teppich von der unheimlichen Wolke verschlungen wurde.
Sie fraß ihn und ballte sich gleichzeitig zusammen, so daß sie von der Schwärze des Himmels aufgesaugt wurde.
Erst nach einer Weile ließ der Abbé sein Glas sinken. Die Freunde taten es ihm nach. Sie schauten sich betreten an, kniffen die Lippen zusammen, sprachen aber nicht miteinander.
Bloch drehte sich um. Seine Schritte wirkten müde, als er zum Fahrzeug zurückging. Der Rücken war gebeugt, als würde er eine große Last davonschleppen.
Im Wald und am Wagen blieb er stehen. Eine Hand hatte er auf das Autodach gelegt.
Als die anderen vor ihm stehenblieben, schüttelte er den Kopf. »Von nun an«, so sprach er mit leiser Stimme, »können wir nichts, aber auch gar nichts mehr tun. John Sinclair ist auf sich allein gestellt und wird es durchkämpfen müssen.«
»Kehrt er zurück?«
Bloch hob die Schultern. »Wir Templer können vieles, wenn wir stark sind und zusammenhalten. Aber hier kann ich keine konkrete Antwort geben. Ich will es hoffen und dabei auf Gott vertrauen…«
***
Vergangenheit
Ich war gewissermaßen aus dem Dimensionstunnel herausgeschleudert worden und wußte sofort, daß ich mich nicht nur in einer anderen Umgebung, sondern auch in einer anderen Zeit befand.
Zwar hatte man mich noch nicht entdeckt, mich schützte die Dunkelheit der Nacht, aber ich sah die anderen Menschen, und sie wirkten wie Gestalten aus einem mittelalterlichen Film.
Nur war es für mich Realität!
Wieder einmal hatte mich die Vergangenheit geholt oder eingeholt. Ich dachte an den Teppich, der mich in diese Zeit gebracht hatte. An dieses märchenhafte Fluggerät von Abbé Bloch, doch der Teppich war verschwunden.
Ich selbst hockte auf dem Boden, hörte das Rauschen des Flusses, nahm auch den entsprechenden Geruch wahr und wußte, daß es sich bei diesem Strom um die Seine handelte.
Wortfetzen erreichten meine Ohren. Ich spreche ziemlich gut französisch, aber diese Sprache verstand ich kaum, weil sie in einem alten Dialekt gesprochen wurde.
Tief atmete ich durch.
Es roch nach Fisch, den man geräuchert und zum Trocknen aufgehängt hatte. Jenseits des Flusses sah ich die Häuser der Stadt. Es war noch nicht völlig dunkel, deshalb konnte ich auch einige Dinge unterscheiden.
Häuser, die nicht zusammengedrängt standen, dazwischen hellere Streifen, die schmalen Straßen und Gassen. Ich sah auch höhere Bauten, Kirchen, zum Beispiel. Am Kai entdeckte ich Lastkähne.
Man hatte auch die ersten Fackeln angezündet. Innerhalb der Lichtkreise bewegten sich die Menschen geschäftig hin und her. Schiffe wurden be- und entladen, an den Feierabend dachte man hier nicht so schnell.
Allmählich normalisierte sich auch wieder mein Gehör, so daß ich die Stimmen deutlicher vernahm, als kurz nach meinem Erwachen aus dieser ungewöhnlichen Ohnmacht.
Ich fand wieder zu mir selbst, auch zu den Fragen, die mich zwangsläufig quälten.
Weshalb hatte man mich in diese Zeit geschafft? Ohne Grund geschah so etwas nicht. Nur - welch ein Motiv sollte gerade Abbé Bloch gehabt haben, mich in eine derartige Lage zu bringen. Auch wenn sie im Moment ungefährlich aussah, glaubte ich doch an
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