0454 - Der blutrote Zauberteppich
nicht zu fürchten schienen.
Nach ihm leerte sich der Steinbruch in Minutenschnelle. Die Stille der Nacht breitete sich aus, doch es hätte ebensogut die Stille des Todes sein können…
***
Das Grab blieb verflucht. Man ließ es in Ruhe. Niemand trat mehr heran, keiner wollte je etwas damit zu tun haben. Man redete nur flüsternd miteinander, wenn das Thema angeschnitten wurde, ansonsten hielt man sich zurück. Der Kalif starb nach etwa drei Jahren, die für ihn eine schreckliche Zeit bedeuteten.
In jeder Nacht hatte er schwere Alpträume zu verkraften gehabt. Die Geister der Toten verfolgten ihn, und nicht nur sie. Auch der Teppich spielte in seinen Träumen eine gefährliche Rolle. Er hatte furchtbare Visionen von Geistwesen, dem Staub der Toten und dem Teppich. Mit niemandem sprach er über seine Träume, und den Tod empfand er fast als Erlösung.
Die Geschichte vergaß den Kalifen, da er nichts Besonderes geleistet hatte. Auch diejenigen, die ihn überlebten und mehr über das Grab wußten, schwiegen.
So vergingen die langen Jahre, bis irgendwann bewaffnete Männer aus dem Norden in das Land einfielen, um es von den Ungläubigen zu befreien. Sie drangen auch bis zum Steinbruch vor, und sie fanden das Grab. Es waren Templer, die es schließlich öffneten und einen unversehrten Teppich hervorholten.
Reiche Beute hatten sie alle machen wollen. Das Gold und das Silber des Orients wurde verladen und mit schweren Transportschiffen in das Abendland gebracht.
So gelangte auch der Teppich in das Gebiet, das später einmal den Namen Europa tragen sollte…
Zum Glück hielt die Hand keinen Messergriff umklammert, sonst hätte es mich diesmal für alle Zeiten erwischt.
So war es »nur« die harte Kante der Hand, die meinen Hals traf. Ich bekam das Gefühl, ohne Kopf dazustehen. Irgendwie schaffte ich die Drehung, spürte hinter mir einen harten Widerstand, die Wand, und konnte mich dort abstützen.
Vor meinen Augen drehte sich der graue Kreis. Ich holte schwer Luft und dachte daran, daß ich einen zweiten Angriff kaum abwehren konnte. Der erfolgte auch nicht. Eine Warnung schien meinen unbekannten Gegnern gereicht zu haben.
Zu fühlen war nichts. Nur der böse Schmerz durchwühlte meinen Hals. Durch die Drehung hatte ich dem Treffer einen Teil der Wucht genommen, so hatte er mich nicht auf dem Punkt erwischen können.
Ich dachte über die Attacke nach. Sie war urplötzlich erfolgt, aus dem grauen Dämmer vor mir. Ein Licht, das nicht hell und auch nicht dunkel war, eher geheimnisvoll und so, als könnte sich der Tag noch nicht entscheiden, die langen Schatten der Nacht zurückdrängen.
Ich sah nicht viel. Vielleicht einige Umrisse. Hohe Säulen, die eine schwere Decke trugen. Es roch nach Putzmitteln, ein typischer Geruch für Schulen und andere öffentliche Gebäude.
In einem solchen öffentlichen Gebäude befand ich mich. Es war ein altes Museum in Paris, der Stadt der Mode, der Lebensfreude, der Künstler, aber auch der Stadt mit einer geheimnisvollen Vergangenheit, die besonders bei den Templern eine sehr große Rolle gespielt hatte.
Es ging wieder einmal um die Templer. Und wieder einmal befand ich mich in Frankreich, wo diese einst so mächtige Gruppe die meisten Spuren hinterlassen hatte.
Von allein war ich nicht nach Paris geflogen. Abbé Bloch, ebenfalls Templer und ein Freund, hatte mir die entsprechende Nachricht zukommen lassen.
Wir hatten dann kurz am Telefon miteinander gesprochen, und ich hatte von ihm erfahren, daß es nicht um Hector de Valois ging, einem Mann, der in mir wiedergeboren war, sondern um eine andere Person.
Ein neuer Name war aufgetaucht!
Jacques-Bernard de Molay! Ein Großer, ein Mächtiger, ein Gewaltiger. Der letzte große Templer-Führer, der Großmeister des damaligen Ordens, den Philipp der Schöne am 18. März 1314 hinrichten ließ und damit das Schicksal der Templer besiegelte, ohne jedoch einen wirklichen Sieg errungen zu haben, denn an die Schätze und das Wissen der Templer war er nicht herangekommen.
An diesem Abend und in der folgenden Nacht waren zahlreiche Templer in Frankreich umgekommen. Man hatte sie grausam gefoltert, ermordet, verbrannt, vielen war es aber auch gelungen, sich rechtzeitig abzusetzen.
Sie waren geflohen und hatten sich in ihren zahlreichen Stützpunkten auf der gesamten Welt verteilt. Das offizielle Ende der Templer war gewissermaßen der Beginn des Geheimbundes gewesen.
Selbst Papst Clemens V., der dem König von Frankreich für die
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